Die große Autobahnlüge

Das Interesse von Allianz und Co. an einer wirtschaftlichen Übernahme der deutschen Autobahnen war Finanzminister Wolfgang Schäuble Milliardenzugeständnisse im Finanzausgleich an die Bundesländer wert. So konnte er diesen den Widerstand gegen die Einrichtung einer privaten Verkehrsinfrastrukturgesellschaft abkaufen, in welche der Bund die Autobahnverwaltung überführen will, um sie dann an die großen Kapitalanleger abzugeben. Dass das Eigentum des Bundes an den Autobahnen festgeschrieben wird, mag formal stimmen, wirtschaftlich betrachtet ist es eine üble Täuschung der Wähler.

Zu der Einigung mit den Ländern über einen neuen Finanzausgleich gehört, dass das Grundgesetz geändert werden und dann eine unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft eingesetzt werden soll. Diese soll die Verwaltung der Bundesautobahnen und eventuell weiterer Bundesstraßen übernehmen. Zur Beruhigung der Gemüter soll das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben werden.

Wie wenig letzteres wert ist, zeigt schon eine Protokollnotiz von Thüringen. Das Land möchte nicht nur das Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen, sondern auch an der Infrastrukturgesellschaft grundgesetzlich festgeschrieben sehen. Zudem sollte nach dem Willen des Landes hinsichtlich der Rechtsform der Infrastrukturgesellschaft neben der privatrechtlichen Form auch die Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) geprüft werden.

Vermutlich wird diese Protokollnotiz eines einzelnen Landes wenig Bedeutung entfalten, aber sie zeigt auf, worum es geht. Wenn die Infrastrukturgesellschaft, die die Autobahnen wirtschaftlich verwaltet, (mehrheitlich) Privaten gehört, dann sind die Autobahnen in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend privatisiert, auch wenn das Eigentum formal noch beim Bund liegt. Das ist die hohe Kunst der Wählertäuschung. Entsprechend wirft auch der Frankfurter Professor für öffentliches Recht, Georg Hermes, in einem Zeit-Beitrag SPD-Chef Gabriel völlig zu Recht Täuschung der Parteimitglieder vor.

Die Alternative zur privatrechtlichen Organisation der Infrastrukturgesellschaft als AG, GmbH oder Ähnliches ist eine öffentliche Rechtsform wie AöR. Was sind die Vorteile der privaten Rechtsform, die Schäuble und seine Ministerkollegen Dobrindt (Verkehr) und Gabriel (Wirtschaft) auf diese beharren lassen? Bessere Finanzierungsmöglichkeiten sind es nicht. Die Investoren drängen dem Staat Geld zu annähernd Nullzinsen geradezu auf. So wie die Gesellschaft geplant ist, wird sie deutlich mehr zahlen müssen.

Verstehen kann man das nur aus der Intention der ganzen Aktion heraus. Es geht ja gerade darum, Allianz und Co. im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld höhere aber sichere Renditequellen zu erschließen, und nicht etwa um Kostenersparnis für die öffentlich Hand. Dazu muss man einerseits auf eine Staatsgarantie verzichten, wie sie die die österreichische Autobahninfrastrukturgesellschaft ASFINAG aufweist. Denn die ASFINAG zahlt privaten Investoren kaum höhere Zinsen als sie normale Staatsanleihen abwerfen. Sodann hilft es sehr, wenn Allianz und Co auch Eigenkapital geben dürfen. Denn bei der Kalkulation der nötigen Mauteinnahmen oder Nutzungsgebühren kann man für Eigenkapital, auch dann, wenn es praktisch keinem Verlustrisiko ausgesetzt ist, eine deutlich höhere Verzinsung ansetzen als für Fremdkapital. Im ersten Entwurf des Berichts der sogenannten Fratzscher-Kommission, die die Vorarbeit geleistet hat, waren diese Zusammenhänge und Absichten noch gänzlich ungeschminkt genannt. Später wurde das dann getilgt und durch andere, vorgeschobene und falsche Gründe für die angebliche Notwendigkeit eines Verzichts auf staatliche Garantien ersetzt.

Änderungshinweis (19:10): Die österreichische ASFINAG ist, wie der Name schon sagt, ein AG, keine AöR, wie es in der ersten Fassung irrtümlich hieß. Der Verweis auf die Kritik von Prof. Hermes an Gabriel wurde ebenfalls nachträglich eingefügt.

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