Re: Lügen-Schäuble

Sehr geehrter Herr Häring, hinter das Wort „LÜGEN-“ könnte man so ungefähr jeden zweiten Namen aus Politik, Wirtschaft und Kirche setzen; es bedürfte nicht einmal allzu großer Fleissarbeit. Ihr Beispiel an Schäuble belegt das nur – einmal mehr.
In „neues deutschland“ hat die Politologin Ute Scheub mit einfachen und klaren Worten das „Gegenmodell“ zu derzeitig sich auffällig aufbröselnden allgemeinen gesellschaftlichen Kultur dargelegt.
Mir fällt – wieder und wieder – auf, dass das Gegenmodell sich deshalb nicht durchsetzen kann (und auch nicht wird), weil es bereits von Kindesbeinen an in unserem Gemeinwesen als „Schwäche-Erscheinung“ menschlicher Selbstbehauptung angesehen und entsprechend behandelt wird (das fängt an in vielen Elternhäusern und dem entsprechenden Lebensstil, in Kita, Schule, auf der Straße (der Jugendlichen), im Straßenverkehr, und setzt sich fort im Betrieb, aber auch im Krankenhaus und Altersheim.
Wir diskutieren, ob es das Problemfeld „Mutter werden“ gibt und Frauen bereuen, sich je auf Kinder eingelassen zu haben, und sehen gleichzeitig, wie die Kinderwagen schiebende Mutter auf der Straße nur noch Aufmerksamkeit für ihr iphone hat. Die irreale Welt kann man sich zurecht basteln; die reale bedürfte des Engagements und einer gewissen Verzichthaltung auf das, was „sofort“ zu haben, zumeist aber nicht zu prüfen und wirklich einzuordnen ist, ob es einem wirklich „gut tut“.
Die Vernetzung hat zur Vereinzelung geführt (wie dicht die beiden gegensätzlichen Begriffe zueinander stehen zeigt sich allein schon durch die Buchstabenanzahl und Folge der beiden Begriffe); wer vernetzt ist, kann sich „Alleinsein“ oder „Einsamkeit“ leisten: Knopfdruck genügt, und man/frau ist mittendrin – wo drin? Bei und mit wem? Wer vereinzelt ist, sucht die Lösungen im Netz statt die Bedingungen seiner eigenen Existenz kritisch und zielführend zu beantworten. Stattdessen macht sich Mißtrauen breit, und zwar gegen diejenigen, die sich „einmischen“ wie auch gegen all diejenigen, die das Gemeinwohl leiten und steuern sollen. Das Grundgesetz wird immer mehr zu einem historischen Atlas nach der „Stunde null“, dessen Anschauungswert und Lerninhalt gegenwärtig gnadenlos unterlaufen wird. Und spätestens dann, wenn es um persönliche Vorteile geht, die den Gemeinsinn zerstören, wird gelogen, dass sich die Balken biegen – siehe Schäuble und Konsorten.
Wir haben, außer wachsenden Einsichten, noch kein Modell entwickeln können, wie wir mit diesen kulturellen und sozialen Erscheinungen umgehen könnten – TTIP und andere Organisationsstrukturen, an denen wir (zu recht) Systemkritik festmachen, sind nur die Spitze des Eisberges. 
Mit freundlichem Gruß (und auch: machen Sie weiter so, ich habe viel lernen können!)
 
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