Die wohlerzogene Antifa und das Bargeld

Am Pfingstsamstag wurde in Frankfurt für den Erhalt des Bargelds demonstriert. Es waren nach  Polizeischätzung, einschließlich einer Abordnung der örtlichen Antifa, rund 500 Personen da. Ich nutzte die Gelegenheit, in Schreipausen mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Das war sehr erhellend für mich.

Ich bin froh, dass es aufmerksame Wächter gegen ein Wiedererstarken des Faschismus gibt. Solche, die auch hinter Fassaden blicken, hinter denen er sich vielleicht versteckt. So kündigten die Antifas im Internet an: „Wir werden diese Veranstaltung kritisch besuchen und uns die Inhalte dieser Initiative genau anhören“ Es gehe dabei wahrscheinlich nur vordergründig ums Bargeld. Denn einer der Redner war mal bei der AfD (bis er austrat), ein anderer hat schon einmal dem Kopp-Verlag ein Interview gegeben und ein dritter tritt öffentlich für preußische Tugenden  bei Staatsdienern ein. Selbst in den kapitalistischen Leitmedien FAZ und Spiegel-Online recherchierten die unerschrockenen Faschismuswächter intensiv und konnten so belegen, dass wer mit dem Kopp-Verlag redet, ein Populist ist und ein Unterstützer von Verschwörungstheorien.

So hatte ich denn ein bisschen ein mulmiges Gefühl, ob das die richtige Demo für mich sei. Aber ich ging doch hin, weil mir das Thema wichtig ist und ich einen der Redner und einen der lokalen Organisatoren  gut kenne. Ich fasste den Vorsatz, sofort wieder zu gehen, wenn die wachsamen jungen Leute, nach aufmerksamen Zuhören, eine Erhärtung ihres Faschismus-Verdachts vermelden sollten.

Bei der ersten Rede stand in der erst langsam anwachsenden Menge ein Mann und brüllte ebenso anhaltend wie lautstark gegen das Mikrophon an. Obwohl er groß, leicht stiernackig und mit sehr kurzen Haaren etwas bedrohlich aussah, fasste ich mir ein Herz und fragte ihn nach dem Grund seines Missvergnügens. Die erste Antwort hieß etwa „erargrg“ und lies mich ratlos zurück. Als ich die Frage wiederholte, sagte er, er sei vom Redner gerade gebeten worden, zuzuhören, und das wolle er jetzt tun. Ein höflicher Schreier immerhin. Und weg war er. Ich war dann trotzdem froh, als ich merkte, dass der wohl nicht von der Antifa gewesen war. Den muss jemand anderes geschickt haben.

Die vielleicht 20 jungen Leute von der Antifa standen weiter hinten, waren viel interessanter gekleidet und sahen deutlich weniger bedrohlich aus. Sie liefen auch nicht weg, als ich sie um ihr Urteil über diese Veranstaltung und die Begründung bat. Dafür unterbrachen sie sogar eine ganze Weile ihre „Antifa“-Rufe. Eine junge Dame mit Schmuck an allerhand schmerzempfindlichen Stellen erläuterte mir, dass alle Redner im Goldgeschäft aktiv seien. Sie wollten nur Verunsicherung verbreiten, um bessere Geschäfte zu machen. Auf meinen leicht zweifelnden Einwand, dass ich mir nicht vorstellen könne, dass Professor Starbatty im Goldgeschäft aktiv sei, riet sie mir, meine naive Haltung abzulegen und im Internet zu recherchieren. (Das habe ich inzwischen getan, war aber wohl zu unerfahren und naiv, um einen Zusammenhang zwischen Starbatty und Gold zu finden. Thorsten Schulte scheint eher in Silber zu machen, und Max Otte in Aktien.)

Bei meiner weiteren naiven Frage, ob es denn nicht für jemand im Goldgeschäft besser sei, wenn die großen Geldscheine abgeschafft würden, weil dann ja wohl viele auf Gold ausweichen würden, war das Latein der ersten Gesprächspartnerin zu Ende, und ein schmaler, schwarz-gekleideter Jüngling erklärte mir geduldig, dass die Redner alle möglichen populistischen Behauptungen aufstellten, aber keine Beweise lieferten. Er sei zwar auch sehr für den Erhalt des Bargelds, aber man müsse das schon solider begründen. Außerdem sei diese Bargeld-Sache nur ein Vorwand. Die Leute würden von dieser an sich guten Sache für die Organisatoren eingenommen und überzeugt und würden ihnen dann auch noch andere Dinge glauben, die nicht so harmlos wären.

Irgendwie war ich bei diesen netten Gesprächen meinem Vorsatz untreu geworden, sofort zu gehen, wenn meine Gewährsleute zu einem negativen Urteil über die Demo kommen sollten, aber ich glaube, ich bin trotzdem nochmal ohne Schaden davongekommen. Wohl dank ihrer warnenden Worte verspüre ich, wenn ich achtsam in mich hineinfühle, immer noch keinen Drang der NPD beizutreten oder sowas.

Aber Recht hatte der junge Antifa auf jeden Fall. Es wurde etwas anderes mit-transportiert. So sang Max Otte zur Gitarre einen subversiven Song von Reinhard Mey, der gar nichts mit Bargeld zu tun hatte, mit Zeilen wie:

Es ist ‘ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger,
Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
‘ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,
Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.
Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt,
Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber läßt man laufen,
Kein Pfeifchen Gras, aber ‘ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen.
Verseuch’ die Luft, verstrahl’ das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
Nur laß dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau’n,
Und die Polizei muß immer auf die Falschen drauf hau’n.

Sei wachsam,
Präg’ dir die Worte ein!
Sei wachsam,
Fall nicht auf sie rein!Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
Sei wachsam,
Merk’ dir die Gesichter gut!
Sei wachsam,
Bewahr dir deinen Mut.
Sei wachsam
Und sei auf der Hut!
Wir ha’m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
„Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!“
„Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
„Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
„Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
Sie zieh’n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,
Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!“

Da erwischte ich mich tatsächlich kurz bei wehrkraftzersetzenden Gedanken, bis mich die nun besonders lauten Rufe der Antifas in die Realität zurückholten und mir klar wurde, dass unsere Friedenseinsätze in Afrika und Afghanistan und im Irak und bald an der russischen Grenze von allen Regierungsparteien und der loyalen Opposition mitgetragen werden. Dieser Reinhard Mey muss also ein gefährlicher Neurechter sein, und ich werde seine Lieder ganz sicher nicht mehr hören. Wenn ich nochmal zurückgehen könnte, würde ich auch ganz sicher nicht wieder den Wehrdienst verweigern, jetzt wo ich weiß, dass das etwas rechtes, halbfaschistisches ist. Bei einem weiteren Song von einem Hannes Wader, sicher auch so ein Neurechter, hielt ich mir sicherheitshalber die Ohren zu.

Zum Dank für die Aufklärung und die gesinnungsmäßige Abschirmung erbot ich mich gegen Ende der Veranstaltung, mit einem oder einer Antifa nzur Bühne zu gehen und dafür zu sorgen, dass er oder sie ihre Bedenken über das Mikrofon allen mitteilen können, in mehr als einem Wort und ohne brüllen zu müssen. Die beiden redegewandten jungen Leute, mit denen ich mich überwiegend unterhalten hatte, schienen das auch kurz zu erwägen. Aber dann entschuldigten sie sich höflich, denn sie müssten jetzt erst einmal mit den anderen weiterbrüllen. Darüber geriet das Angebot irgendwie in Vergessenheit. Aber meinen Dank wollte ich doch noch ausdrücken, und so schenkte ich der wachsamen Antifa-Abordnung ein Exemplar meines Buches „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“, wofür sie sich auch sehr artig bedankten.

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