Wenn Linke die EZB gegen linke Kritik verteidigen, blüht der Unsinn besonders bunt

Michael Wendl, Ökonom, Gewerkschafter, Politiker (SPD – Linke – SPD) und Mit-Herausgeber der Zeitschrift Sozialismus, nimmt die Geld- und Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen Kritiker von links in Schutz. Diese redeten Unsinn, schreibt er. Doch seine EZB-Verteidigungsschrift ist durchsetzt von Fehldeutungen, Auslassungen und trickreichen Themenwechseln.

Ich weiß, es sieht allmählich sonderbar aus, wenn ich erst den Text des Chefredakteurs von PROKLA (Ingo Stützle auf Oxi Blog), dann den des Mitherausgebers von Makroskop (Paul Steinhart auf Flassbeck Economics) und jetzt auch noch den des Mitherausgebers von „Sozialismus“ (Michael Wendl auf Oxi Blog) zerpflücke. Ich weiß nicht, warum sich die Vor- und Nachdenker des linken Spektrums gerade so anstrengen, die Finanzbranche und die EZB aus dem Feuer zu nehmen, und dabei gar so weit hinter ihren Möglichkeiten in Sachen Logik und Konsistenz der Argumentation zurückbleiben. Ich analysiere diese Texte, weil sie Verwirrung stiften, wo keine Verwirrung sein sollte. Den Verwirrten möchte ich zurufen: „Lasst Euch nicht entmutigen. Es liegt nicht an Euch, wenn ihr Bahnhof versteht.“

Wendl findet  in „Die EZB und die Krise“Teil 1 und Teil 2 – starke Worte:

„(Die EZB) verhindert eine tiefe Rezession, indem sie sich mit ihrer Strategie gegen die Vorstellungen der Konservativen und Neoklassiker stellt. Und was tun die Linken: Die SPD ist nur konfus und viele Linke reden Unsinn. Denn sie haben Unrecht, wenn sie behaupten, in dieser Krise komme es zu einer Umverteilung von unten nach oben.“

Seine These lautet, die EZB könne zwar die Wirtschaftskrise mit ihren Mitteln nicht beheben, aber sie mache sich damit verdient, dass sie das Abrutschen in eine tiefe Rezession verhindere. Das tue sie mit ihrer Niedrigzinspolitik und nütze damit vor allem den Geringverdienern. Die Behauptung linker Kritiker, es nütze vor allem den Reichen, sei falsch. Schuld daran, dass die Krise nicht gelöst wird, sei die Sparwut der Regierungen, insbesondere der besonders einflussreichen deutschen. Wendl lässt es so scheinen, als würde die arme EZB die Fehler der spar- und strukturreformwütigen Regierungen so gut es geht kompensieren, so als ob nicht die EZB die mächtigste und ruchloseste Instanz bei der Durchsetzung der Spar- und Sozialabbaupolitik in Europa wäre. Beispiele gefällig?

Irland: Mir der ultimativen Drohung, die Banken zu schließen, wurde die Regierung erpresst, die Schulden der dortigen Banken zu übernehmen und zum Ausgleich eine rigide Sparpolitik zu betreiben.

Portugal und Griechenland: Als Teil der Troika hat die EZB eine rigide Spar-, Privatisierungs- und Anti-Arbeitnehmerpolitik durchgesetzt. Portugal: Gerade erst wieder hat ein EZB-Offizieller mit Hilfsentzug gedroht, wenn Staat nicht genug spart. Griechenland: Durch Schließung der Banken und Sabotage der nationalen Notenbank wurde eine linke Regierung in die Knie gezwungen.

Spanien und Italien: Der EZB-Chef hat Briefe an die Regierungen geschrieben und rigide Spar- und Sozialabbaupolitik gefordert, als Bedingung für Hilfe in die Anleihekrise.

Kein Wirtschaftsbericht und keine Pressekonferenz der EZB, in der sie nicht nachdrücklich Sparen und „Strukturreformen“ anmahnt. Man kann ja die ein oder andere Untat der EZB vergessen – aber alle? Wie kann man als linker Vordenker oder wenigstens Nachdenker nur so tun, als sei die EZB die Gute im bösen Austeritätsspiel?

Wie kommt Wendl zu seinem Urteil?

Um dahin zu kommen, sind einige ungewöhnliche Schritte und gedankliche Hüpfer nötig. Wendl erklärt die Zinspolitik zum wichtigsten oder gar einzigen Instrument der EZB, spricht dann in der Folge aber von Geldmengensteuerung. Die Geringverdiener lässt er nicht etwa von den niedrigen Zinsen der EZB profitieren, sondern von der niedrigen Inflation, obwohl die EZB mit ihren niedrigen Zinsen die Inflation erklärter Maßen erhöhen will.  Andererseits spricht er zwar von der Gefahr von Blasen an den Finanzmärkten aufgrund der Niedrigzinspolitik, verzichtet aber gänzlich darauf, deren Verteilungswirkung zu thematisieren. Tatsächlich ist die EZB-Politik erkennbar darauf ausgerichtet, die Preise an den Vermögensmärkten (Aktien, Immobilien, Anleihen) zu stützen, beziehungsweise nach oben zu treiben. Davon profitieren, wie das Wort schon sagt, die Vermögenden, welche die an den Vermögensmärkten gehandelten Werte ganz überwiegend besitzen.

Die Fehler und Fehldeutungen im Einzelnen

Das größte Verständnisproblem sieht Wendl darin, dass der Öffentlichkeit nicht bekannt sei, wie Geld entsteht, wie Kredite vergeben werden. „Dieses Nicht-Wissen hat bereits heute verheerende politische Folgen“, stellt er fest. Es wird aber nicht klar, welche Folgen. Es wird auch nicht deutlich, wie die nachfolgende, konfuse bis falsche Erklärung der Geldschöpfung, selbst wenn sie richtig wäre, etwas zur Aufklärung des angeblichen Missverständnisses der linken EZB-Kritiker beitragen würde. Wendls Thesen jedenfalls nehmen – soweit ich sehen kann – keinen Bezug auf diese Passagen.

„Wir kennen zwei Verfahren der Geldschöpfung »aus dem Nichts«. Die Geschäftsbanken vergeben Kredite – dabei spielen die Einlagen der Sparer nur eine geringe Rolle – und damit vermehren sie ihr Buch- oder Giralgeld. Wenn eine Geschäftsbank auf diese Weise neues Geld via Kredite schöpft, dann muss sie bei der Zentralbank, also der EZB, eine Mindestreserve hinterlegen; diese beträgt seit 2012 ein Prozent der Kreditsumme. Diese Mindestreserve wird dann zum Geld der Zentralbank, der renommierte britische Ökonom John Maynard Keynes hat das als »Fiat Money« (ein Objekt, das keinen inneren Wert besitzt und als Tauschmittel eingesetzt wird Anm. d. Red.) bezeichnet.“

Die Einlagen der Sparer spielten nur eine geringe Rolle ist eine unsinnige Feststellung, wenn gleich danach die Aussage kommt „und damit vermehren sie ihr Buch- oder Giralgeld“. Die Einlagen spielen also eine sehr große Rolle, denn genau in dem Umfang der Kreditvergabe entstehen Einlagen, auch Buch- oder Giralgeld genannt. Vielleicht meinte Wendl nur, dass man keine Einlagen braucht, um Kredite zu vergeben. Dann wäre es unglücklich ausgedrückt aber in der intendierten Aussage richtig. Wendl scheint zu meinen, die Banken gäben ein Prozent ihrer Einlagen an die EZB ab, wodurch diese zu Zentralbankgeld würden. Das ist Quatsch. Er verkennt, dass es zwei getrennte Geldkreisläufe gibt. Der eine besteht aus Buchgeld der Banken, das in der Wirtschaft zirkuliert, wenn wir unsere Rechnungen bezahlen. Der andere besteht aus Zentralbankgeld, also Guthaben der Banken bei der Zentralbank. Immer wenn Buchgeld der Bankkunden zwischen verschiedenen Banken transferiert wird, läuft im Hintergrund eine gleich große Buchung von Zentralbankgeld zwischen den beteiligten Banken in die gleiche Richtung.

Es gibt nur ein einzige – mengenmäßig nicht sehr bedeutsame – Verbindung der beiden Kreisläufe: Bargeld. Es ist physisches Zentralbankgeld. Wenn wir uns Buchgeld bar auszahlen lassen, dann sinkt unser Buchgeldbestand bei der Bank und gleichzeitig das Guthaben der Bank bei der Zentralbank. Aber diese Schnittstelle berührt Wendl nicht und wir können sie daher ausblenden. Dann gilt: Aus Buchgeld kann kein Zentralbankgeld werden.

Wenn die Bank per Kreditvergabe an mich ihren Einlagenbestand um 100.000 Euro erhöht, dann braucht sie ein zusätzliches Guthaben bei der Zentralbank von 1000 Euro. Sie kann nicht etwa mein Guthaben um 1000 Euro mindern und dieses an die EZB überweisen. Es ist ja mein Guthaben und nicht ihres, und die EZB nimmt auch kein Buchgeld von Banken. Die EZB dealt mit den Banken nur in Form von Zentralbankgeld. Die Bank muss sich bei den regelmäßigen Refinanzierungsgeschäften der EZB einen Zentralbankgeldkredit von 1000 Euro holen, wenn sie nicht ohnehin schon zu viel Zentralbankguthaben hat. Bei den meisten ist das der Fall. Wir können die Sache mit den Mindestreserven für alles Weitere also getrost vergessen. Sorry.

Auch der letzte Satz des Zitats ist irreführend: Zentralbankgeld ist zwar Fiat-Money, das Buchgeld der Banken aber ebenso. Der Satz ergibt so wie er platziert ist, keinen Sinn und ist auch für das weitere entbehrlich. Vergessen wir ihn.

„Die EZB hat ein entscheidendes Instrument, um ihre Politik durchzusetzen: den Leitzins. Mit dem berechnet sie die Kredite, welche sie an die Geschäftsbanken vergibt. (…) Nun stellt sich die Frage: Nach welchen Kriterien wird die Geldmenge gesteuert?“

Erst wird behauptet, das Instrument sei der Zins, so als betriebe die EZB nicht seit Jahren Quantitative Easing, oder mengenmäßige Lockerung. Der Begriff soll gerade klarstellen, dass man von der Lockerung durch Zinssenkung auf Lockerung durch (Geld-)Mengenausweitung übergegangen ist. Im nächsten Satz scheint sie dann aber doch Geldmengenpolitik zu betreiben, wobei Wendl leider vergisst zu klären, ob es dabei um die Steuerung der so mühsam erklärten Zentralbankgeldmenge geht, oder um die Buchgeldmenge der Banken.

Die folgende Passage, in der Wendl die Gegensatzpaare regelgebundene Geldpolitik vs. diskretionäre Geldpolitik sowie monetaristische Geldpolitik vs. zinsorientierte Geldpolitik wild mischt, will ich Ihnen nicht in Gänze zumuten. Bei Wendl wird daraus das unsinnige Gegensatzpaar monetaristische Geldpolitik vs. diskretionäre Geldpolitik.

Zur Erklärung:

Monetaristische Geldpolitik ist eine, die eine vorher definierte Geldmenge steuert, in der Hoffnung darüber indirekt die gesamtwirtschaftliche Aktivität zu steuern. Man kann sie regelgebunden betreiben (x % mehr Geldmenge pro Jahr) oder diskretionär, also frei Schnauze.

Zinsorientierte Geldpolitik, die heute weitgehend deckungsgleich ist mit dem Konzept der Inflationssteuerung, manpuliert den Zins, den die Banken für Zentralbankgeld zahlen müssen, in der Hoffnung, damit den Zins zu steuern den die Banken für Kredite verlangen, in der Hoffnung, dass sich damit die gesamtwirtschaftliche Aktivität und damit die Inflationsrate steuern lässt. Man kann das regelgebunden tun (etwa anhand der sogenannten Taylor-Regel) oder diskretionär, je nach Lage, frei Schnauze.

Bei Wendl wird daraus:

„Die EZB hat zunächst eine monetaristische Geldpolitik verfolgt. In der Folge der Finanzmarktkrise ist sie auf eine diskretionäre Geldpolitik umgestiegen. Das heißt konkret: Nicht mehr die Steuerung der Geldmenge und damit der Inflation ist ihr alleiniges oder vorrangiges Ziel, sondern sie hat mehr denn je die Stabilität der Volkswirtschaften und die Förderung von deren Wachstum im Blick. Das bedeutet heute die Vermeidung einer Deflation, also eines allgemeinen Sinkens der Preise. Dafür wird die EZB von der Mehrheit der deutschen Ökonomen, die der Theorie der Neoklassik anhängen, scharf kritisiert. Diese Mehrheit der Ökonomen befindet sich wiederum weltweit in einer klaren Minderheit.“

An diesen Sätzen ist so ziemlich alles falsch, manches grotesk falsch. Sie hat nicht vorher eine (regelgebundene) monetaristische Geldpolitik verfolgt, sondern (diskretionäre) Inflationssteuerung per Zinspolitik. Sie ist dann nicht auf diskretionäre Politik umgestiegen, sondern macht genauso wenig regelgebunden weiter wie vorher, nur dass sie auf geldmengenorientierte, sprich monetaristische Politik umgestiegen ist. Es ist auch nicht so, dass Inflation und Wachstum zwei alternative oder gegensätzliche Ziele wären. In früheren Zeiten war sie damit beschäftigt, das Wachstum zu dämpfen, um die Inflation auf Ziel zu halten. Heute, wo die Inflation und das Wachstum hartnäckig niedriger sind, als sie es gerne hätte, versucht sie das Wachstum anzukurbeln, um die Inflation Richtung Zielwert zu erhöhen. Dafür werde sie von der Mehrheit der deutschen Ökonomen, die der Neoklassik anhängen, scharf kritisiert. Das stimmt zwar vielleicht, es könnte eine knappe Mehrheit sein, aber nicht, weil sie Neoklassiker sind, sondern weil sie Ökonomen der Gläubigernation Deutschland sind. Die Mehrheit der Ökonomen weltweit sind auch Neoklassiker. Ob jemand Neoklassiker ist, spielt keine Rolle, weil die Neoklassik ohnehin so gut wie nichts zu Geldpolitik in Finanzkrisen zu sagen hat, weil es in der Neoklassik keine Finanzkrisen gibt.

Der linken Kritik an den Rettungsprogrammen der EZB zugunsten der Geschäftsbanken hält Wendl entgegen, dass Bankenpleiten große Kollateralschäden hervorgerufen hätten, dass die EZB mit ihrer Politik also noch größeres Unbill verhindert hat. Das ist soweit korrekt. Er tut dabei allerdings so, als wäre die einzige Alternative für die EZB gewesen, weniger vom Gleichen zu tun. Er verzichtet vollständig darauf, mögliche Alternativen auch nur anzudeuten. Das ist nicht sachgerecht. So kann man nicht seriös zum harschen Urteil kommen, linke Kritiker der EZB redeten Unsinn.

Es wird aber gleich noch schlimmer:

„Negativ zu bewerten ist die Tatsache, dass vor allem Deutschland es in der EU – nicht nur gegenüber Griechenland – durchgesetzt hat, dass alle Rettungsprogramme mit rigiden Sparauflagen – auch Austeritätspolitik genannt – verbunden wurden.“

Nicht die Bundesregierung, sondern die EZB ist in der Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB, die den Griechen und anderen ihre Spar-, Privatisierungs- und Arbeitnehmerrechteabbauprogramme en detail aufgeschrieben hat. Nicht die Bundesregierung hat die griechischen Banken auf harte Gelddiät gesetzt, nachdem eine linke Regierung gewählt worden war, und hat die Banken schließlich geschlossen, als diese Regierung sich renitent zeigt. Nein, das war wieder die EZB. Man fragt sich, was mit solcher exkulpatorischen Geschichtsklitterung bezweckt wird.

Zum Abschluss von Teil eins kommt die wohlfeile Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen, garniert mit der falschen Feststellung:

„Würden dagegen die anderen Länder Deutschland nacheifern und versuchen, die deutsche »Wettbewerbsfähigkeit« zu erreichen, würde das deutsche Modell ständiger Leistungsbilanzüberschüsse beendet, ohne dass in Deutschland die Nachfrage steigt.“

Die anderen Ländern eifern notgedrungen schon lange Deutschland nach und kürzen die Löhne, in Krisenländern teilweise massiv. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist dennoch so hoch wie nie. Deutschland exportiert einfach in den Rest der Welt, unterstützt von einem niedrigen Eurokurs, der wegen der Krise der anderen Euroländer so niedrig ist.

Teil 2 von Wendls Aufsatz beginnt mit der Feststellung, die EZB versuche die Möglichkeiten expansiver Geldpolitik auszuschöpfen, um das Fehlen expansiver Fiskalpolitik auszugleichen bis hin zu negativen Zinsen für Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB.

„Damit will sie die Geschäftsbanken faktisch nötigen, mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte zu geben.“

Er vergisst zu erwähnen, dass eine Geschäftsbank Einlagen bei der EZB auch los werden kann, indem sie Anleihen oder Aktien kauft. Das geht viel schneller und leichter als Kreditvergabe, insbesondere wenn es an Nachfrage nach Krediten von kreditwürdigen Kunden mangelt. Auf diese Art treibt die EZB die Vermögenspreise nach oben und sorgt dafür, dass die Vermögensschere weiter auseinandergeht oder sich zumindest nicht schließt. Den Beschlüssen der EZB für neue radikale Maßnahmen gingen jeweils Krisen an den Finanzmärkten voraus, einmal am Anleihemarkt, zwei Mal am Aktienmarkt. Konjunkturell tat sich jeweils wenig Spektakuläres. Man kann die Entscheidungen der EZB unmöglich verstehen und erklären ohne die Finanzmärkte mit ins Bild zu nehmen.

Wirr geht es weiter. Man fragt sich warum Wendl am Anfang so ausführlich die Geldschöpfung erklärt hat, nur um im Folgenden die schräge Loanable-Funds Theorie, die davon ausgeht, dass es eine feste Menge Ersparnisse gibt (Geldangebot), die an Kreditnehmer vermittelt wird, mit der damit völlig inkompatiblen Geldschöpfungstheorie zu kombinieren:

 „(D)as Zinsniveau ist generell sehr niedrig, weil es momentan Geld im Überfluss gibt; das viel zu große Geldangebot setzt sich aus Ersparnissen (»Savings Glut«) und der Kredit- und damit Geldschöpfung des Bankensystems zusammen.“

Das ist etwa so, wie wenn man sagt, die Evolutionstheorie könne erklären, warum bei Adam und Eva, die Gott nach seinem Ebenbild erschaffen hat, die Augen vorne und die Ohren seitlich am Kopf angebracht sind.

Wie wirkt die Politik der EZB?, fragt Wendl, und antwortet:

„Mit den sehr niedrigen Zinsen, den Nullzinsen und den Negativzinsen werden Schulden wie Vermögen nach und nach verringert, also sehr behutsam und langsam. Wer Schulden hat, der wird mit den niedrigen Zinsen entlastet. Mit den sehr geringen Preissteigerungen wird der normale Konsument entlastet, zumindest nicht höher belastet. Das nützt vor allem den Geringverdienern, die einen hohen Teil ihres Einkommens für Lebensmittel und Miete ausgeben müssen.“

Mit niedrigen Zinsen und Negativzinsen werden Vermögen nicht generell verringert. Sie tragen vielmehr entscheidend dazu bei, die überwiegend aus Aktien, Anleihen und Immobilien bestehenden (großen) Vermögen der Reichen zu bewahren oder zu steigern. Nur die kleinen und mittleren Vermögen, bei denen das Geldvermögen relativ zu den anderen Vermögensarten einen großen Anteil ausmacht, werden verringert. Wer Schulden schon hat, wird von den niedrigen Zinsen nicht entlastet, jedenfalls bei weitem nicht sofort. Ich zahle immer noch viereinhalb Prozent Hypothekenzins. Solange die Zinsbindung noch greift, und das kann lange sein, werden allein die Kreditgeber, also die Banken begünstigt. Entlastet wird, wer neue Kredite aufnimmt, was wiederum die Schulden erhöht. Dass der Konsument von den niedrigen Preissteigerungen entlastet wird, ist kein Verdienst der EZB-Politik, sondern etwas, was sie – aus gutem Grund – ändern will. Aus gutem Grund, weil die niedrige Inflation zu einem großen Teil von niedrigen Lohnsteigerungen oder gar Lohnkürzungen herrührt, was für die meisten „Konsumenten“ keine so tolle Sache ist, weil sie eben auch Arbeitnehmer sind.

Weiter geht’s:

„Gläubiger, also diejenigen, die Kredite vergeben, werden eher belastet. Denn sie können mit ihren Krediten kein Geld mehr verdienen. Das heißt, vor allem die Linken haben Unrecht, die heute behaupten, in dieser Krise komme es zu einer Umverteilung von unten nach oben. Das ist falsch.“

Weiter oben haben wir erklärt bekommen, dass Banken negative Zinsen kalkulieren dürfen, wenn sie sich von der EZB Geld holen und dass das die Kreditvergabe befeuern soll. Nun sollen wir glauben, dass Gläubiger, also die Banken, mit Krediten kein Geld verdienen können, weil die (EZB-)Zinsen so niedrig sind. Ja was denn nun. Daraus zu schließen, EZB-Kritiker hätten Unrecht ist gewagt.

Es entbehrt nicht einer gehörigen Ironie, dass hier ein ehemaliger SPD-ler, der zu den Linken übertrat, um dann wieder zur SPD überzutreten, seiner Partei als Resümee eines ebenso verwirrten wie verwirrenden Textes ins Stammbuch schreibt:

„Und die SPD ist in diesen Monaten offenkundig ohne jegliche Orientierung. Sie weiß offensichtlich weder was falsch noch was richtig ist.“

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