Zweite Runde der Programmbeschwerden an WDR und NDR

Wegen zweier unjournalistisch einseitigen und griechenfeindlichen Tagesschauen hatte ich Programmbeschwerde bei den Intendanten von NRD und WDR eingelegt. WDR-Intendant Buhrow antwortete sehr ausführlich aber unbefriedigend. NDR-Intendant Marmor duckte sich weg. Hier nun die zweite Runde der Beschwerden an den WDR-Rundfunkrat und nochmal an den NRD-Intendanten.

Programmbeschwerde an den Rundfunkrat des WDR

Am 17.5 schickte ich folgende Programmbeschwerde an WDR Köln, Geschäftsstelle des Rundfunkrats, 50600 Köln, Betreff: Tagesschau vom 20.3.2015; Antwort von Tom Buhrow vom 8.5. auf meine Programmbeschwerde vom 31.3. 

Sehr geehrte Damen und Herren, meiner Programmbeschwerde konnte Intendant Tom Buhrow nicht abhelfen. Dagegen möchte ich den Rundfunkrat anrufen.

Der Grund: Herr Buhrow geht auf den wichtigsten Kritikpunkt nicht ein, dass nämlich der Bericht der Tagesschau, überwiegend von Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause über eine konfliktive Verhandlungssituation berichtet, dabei aber ausschließlich die Sichtweise der einen Seite in dem Konflikt beleuchtet – abgesehen von einer kurzen Passage in der die Absicht des griechischen Finanzministers böswillig verfälscht referiert wird. Die Programmgrundsätze nach §10 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag und die entsprechenden Regelungen des §5 WDR-Gesetz sind entgegen der Erwiderung von Herrn Buhrow verletzt. Die Berichterstattung war nicht unabhängig und sachlich.

Tom Buhrow kann keine Unsachlichkeit und tendenziöse Darstellung dahingehend erkennen, dass allein die Sichtweise der Bundesregierung und der EU-Organe wiedergegeben werde. In seiner Antwort beruft er sich aber dann wiederholt auf die Sichtweise der Bundesregierung und der EU-Organe als angebliche Belege für die Behauptungen des WDR-Korrespondenten.

Falschdarstellungen kann Herr Buhrow nicht erkennen, auch nicht hier:

Der griechische Regierungschef hatte auf schnelles Geld ohne weitere Auflagen gehofft.“

Ich hatte geltend gemacht, dass der griechische Regierungschef AlexisTsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis erklärter Maßen andere Auflagen und Reformen wollten als die bisher vereinbarten, die dem Land nur schadeten. Herr Buhrow geht aber wohlweislich nur auf den ersten Teil der Aussage ein, indem er belegt, dass Tsipras auf baldiges Geld hoffte. Kein Wort zum problematischen zweiten Teil, für den es keinen Beleg gibt, der aber die tendenziöse Botschaft suggeriert, die Griechen seien gierig und wollten nur Geld ohne etwas dafür zu tun.

Eine Falschdarstellung sieht Herr Buhrow auch nicht im folgenden Krause-Zitat:

„… die Anwesenden zeigten keine Neigung, von dem abzuweichen, was die Finanzminister der Eurogruppe vor genau vier Wochen vereinbart haben“,

 gefolgt vom eingeblendeten Merkel-O-Ton: „Geld gibt es nur, wenn die Voraussetzungen wie im Papier vom 20. beschrieben, da sind“ und der Erläuterung des Tagesschau-Sprechers, das heiße, „dass Reformen nicht nur vorgeschlagen, sondern beschlossen und teilweise umgesetzt sind.“

Herr Buhrow verteidigt wieder nur den ersten, unstreitigen Teil der Aussage Krauses, nämlich dass die Anwesenden Tsipras auflaufen ließen. Problematisch ist dagegen der zweite Teil von Krauses Aussage und die damit zusammenhängende nachfolgende Kollage aus Merkel und Tagesschausprecher. Denn darin ist eine irreführende Tatsachenbehauptung über das am 20.2. Vereinbarte enthalten. In Wahrheit ist die angesprochene Vereinbarung sehr vage formuliert und bietet daher viel Auslegungsspielraum. Darin steht keinesfalls wie von Merkel und gleichlautend von Krause und dem Tagesschau-Sprecher behauptet, dass Geld erst fließe, wenn „Reformen nicht nur vorgeschlagen, sondern beschlossen und teilweise umgesetzt sind.“

Ich hatte darauf hingewiesen, dass die griechische Sichtweise, wie sie unter anderem von Premierminister Tsipras öffentlich vertreten worden war, nicht einmal ansatzweise in dem Bericht erkennbar wird. Herr Buhrow vermisste in seiner Antwort allerdings einen Beleg für meinen Hinweis, Tsipras sei mit der Forderung zu dem Gipfel gefahren, die Vereinbarung vom 20. Februar umzusetzen anstatt immer neue Bedingungen für Griechenland nachzuschieben. Den will ich gern nachliefern. Das stand etwa, aber nicht nur, in einem Artikel in der Parteizeitung Agvi vom 19.3. Τι θα ζητήσει ο Αλ. Τσίπρας σήμερα στη σύνοδο κορυφής, Link: https://www.avgi.gr/article/5399225/ti-tha-zitisei-o-al-tsipras-simera-sti-sunodo-korufis

Herr Buhrow schreibt in seiner Antwort wörtlich:

Auch hier ist keine Falschdarstellung zu erkennen. Die Darstellung Rolf-Dieter Krauses entspricht dem vereinbarten Prozedere: Zunächst legt Griechenland eine Liste von Reformmaßnahmen vor. Dann wird diese von den ‚Institutionen‘ die früheren Troika, geprüft. Dann wird sie von der Eurogroup Working Group geprüft. Und am Schluss muss die Eurogruppe als Ganzes einstimmig (!) darüber entscheiden, ob das ausreicht, um die Auszahlung der noch ausstehenden Hilfsgelder zu bewilligen.“

Diese Darstellung von Herrn Buhrow ist korrekt. Sie deckt aber nicht die Aussage Krauses, die sie decken soll, denn in ihr ist nicht davon die Rede, dass Maßnahmen schon „beschlossen und teilweise umgesetzt“ sein müssten.

Mangels Beleg für die Falschbehauptung beruft sich Herr Buhrow stattdessen auf öffentliche Äußerungen des Eurogruppen-Vorsitzenden Dijsselbloem. Das aber ist gerade meine Kritik, die Buhrow weiter vorne in seiner Replik ausdrücklich zurückgewiesen hat, dass nämlich allein die Sichtweise der Verhandlungsgegner Griechenlands referiert und sich zu eigen gemacht wird, und hier auch noch eine nachweislich falsche Sichtweise. Der Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit und des unzureichenden Recherchierens der Fakten ist also aufrecht zu erhalten.

Zum Beleg sei die Vereinbarung, das „Statement on Greece“ der Eurogruppe zitiert:

The Greek authorities will present a first list of reform measures, based on the current arrangement, by the end of Monday February 23. The institutions will provide a first view whether this is sufficiently comprehensive to be a valid starting point for a successful conclusion of the review. This list will be further specified and then agreed with the institutions by the end of April.”

Darin steht also auf Deutsch: eine Liste von Reformmaßnahmen muss präsentiert werden, sie wird beurteilt, weiter spezifiziert und bis Ende April mit den Institutionen vereinbart. Kein Wort von (im Parlament) „beschlossen und von teilweise umgesetzt“, schon gar nicht im März, als die Tagesschau ausgestrahlt wurde.

Moniert hatte ich auch folgende Passage aus Krauses Bericht:

Griechenlands Ministerpräsident erweckt den Eindruck, dass sein Land auch ohne schmerzhafte Maßnahmen zu sanieren sei. Außerhalb Griechenlands denkt das kaum jemand.

Dem hatte ich unter anderem entgegen gehalten:

Nichts von dem, was Tsipras im Wahlkampf und danach seinem Volk und seinen Partnern gesagt hat, erweckte den Eindruck, dass ab jetzt alles leicht und schmerzlos für Griechenland sein wird oder sein soll.“

Herr Buhrow erwidert, mit Verweis auf Lettland, wo man einem harten Austeritätsprogramm beigetreten sei:

Im Rahmen dieser Sanierung verdienten beispielsweise Lehrkräfte kaum mehr als die Hälfte ihrer griechischen Kolleginnen und Kollegen. Vor diesem Hintergrund gibt Rolf-Dieter Krause den Eindruck der EU, Tsipras wolle derart schmerzhafte Maßnahmen bei der Sanierung Griechenlands vermeiden, nachrichtlich korrekt wieder.“ (Hervorhebung N.H.)

Diese Antwort verändert nachträglich die Aussage Krauses und erweckt nur dadurch den falschen Eindruck, sie sei korrekt gewesen. Herr Krause sagte eben gerade nicht: „Die EU hat den Eindruck“. Er sagte „Griechenlands Ministerpräsident erweckt den Eindruck ….“ Und weil das mit Fakten schwer zu begründen ist, wird auch noch nachträglich Lettland hervorgeholt, und die Tatsache, dass dort Lehrkräfte weit weniger verdienen als in Griechenland. Das war aber auch schon vor der Krise und dem Anpassungsprogramm so, Deren Löhne wurden zwar gekürzt, aber nicht halbiert. Das „derart“ ist also nicht nur nachträglich in das Zitat eingefügt, es ist auch sachlich nicht angemessen, denn bei Anpassungsmaßnahmen geht es um Veränderung, nicht um einen Ländervergleich in der Ausgangslage.

Fazit: In einer Verhandlungssituation, in der zwei Seiten eine vage Vereinbarung unterschiedlich auslegen, transportierte die Tagesschau ausschließlich die Sichtweise der einen Seite und zwar in weiten Teilen als eigene Sichtweise oder gar als Tatsachenbehauptung. Die griechische Sicht der Dinge kommt nur einmal vor, und dort in böswillig verzerrter Weise. Herr Buhrows Replik weicht der Beschwerde in den entscheidenden Fragen aus und kann sie daher nicht widerlegen. Mit freundlichen Grüßen….

 

Programmbeschwerde an den NDR-Intendanten, zweiter Versuch

An NDR, Intendanz, Herr Lutz Marmor, Rothenbaumchaussee 132, 20149 Hamburg, gab ich am gleichen Tag einen Brief in die Post, mit dem Betreff: Programm-Beschwerde: Tagesschau vom  27.2.2015

Sehr geehrter Herr Marmor, mit meinem Schreiben vom 31.3.2015 hatte ich Programmbeschwerde gegen die Tagesschauen vom 20.3.2015 und vom 27.2.2015 erhoben. Sie hatten diese Beschwerde zuständigkeitshalber an den Intendanten des WDR weitergereicht. Dieser hat mir jetzt geantwortet, aber zuständigkeitshalber nur für die Tagesschau vom 20.3. Die Beschwerde über den 27.2. ist damit weiterhin unbeantwortet. Ich gehe davon aus, dass der Intendant des NRD zuständig ist, und bitte Sie daher erneut um Abhilfe.

Laut §10 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien hat  die  Berichterstattung in  Informationssendungen „ den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.“

Nach der Abstimmung im Bundestag am 27.2.  zur Eurogruppenvereinbarung berichtete die Tagesschau fälschlicher Weise Yanis Varoufakis habe damit geprahlt, dass die Reformliste, die er nach Brüssel geschickt habe, absichtlich vage gewesen sei, um die Abstimmungen in den Parlamenten nicht zu gefährden. Das trifft nicht zu, wie ausländische Medien auch am selben Tag berichtet hatten. Varoufakis hatte tatsächlich gesagt, die Vereinbarung selbst sei auf Wunsch der Verhandlungspartner absichtlich vage formuliert worden.

Hier beispielhaft für viele Fundstellen vom gleichen Tag auf Englisch, die alle unmissverständlich das Gleiche sagen, die griechische Enikos:

The Greek government’s agreement with the Eurogroup was intentionally vague because that is what the EU partners wanted in order to ensure that they would be able to ratify the deal in their parliaments, Finance Minister Yanis Varoufakis said on Friday. „We are very proud of the level of vaguenessness…[European] officials asked for abstract concepts in the text we delivered in order for them to receive parliamentary approval,“ Varoufakis told ANT1 TV, adding that this is the  reason no numbers were included in the Eurogroup deal.

 Am folgenden Sonntag (1.3.) korrigierte die Tagesschau indirekt und für den normalen Zuschauer unmerklich ihre verzerrte Berichterstattung von Freitag, indem sie Finanzminister Schäuble Varoufakis widersprechen ließ. „Der Text, den wir mit Griechenland vereinbart haben, in der Eurogruppe, ist völlig eindeutig.“ Es ging also tatsächlich nicht darum, wie die Tagessschau wahrheitswidrig behauptet hatte, dass der griechische Finanzminister gesagt habe die nach Brüssel geschickte Reformliste sei absichtlich unbestimmt gehalten, sondern Schäuble widersprach Varoufakis tatsächlich gemachter Behauptung, die Vereinbarung mit der Eurogruppe sei absichtsvoll unbestimmt formuliert worden.

Auf Twitter antwortete mir @tagessschau, man habe sich nichts dementiert, sondern Herr Schäuble habe etwas dementiert:

1.     tagesschau ‏@tagesschau 2. März
@norberthaering Wir dementieren nichts. V. hat von „produktiver Undeutlichkeit“ gesprochen, dann hat B, dementiert. Das haben wir berichtet. („B.“ steht für Berline, N.H.)

Ein Sprecher Schäubles hatte schon am 27.2. deutlich vor der Tagesschau genau so die Aussage von Varoufakis dementiert, und zwar ausdrücklich die Aussage, dass die Vereinbarung absichtlich vage formuliert gewesen sei. Das wurde von Reuters auch so verbreitet. Warum dennoch die Tagesschau Varoufakis Aussage falsch darstellte, ist schwer zu verstehen. Es trifft zwar zu, dass verschiedene deutsche Internetportale zuvor die gleiche falsche Darstellung verbreitetet hatten. Es würde aber sicherlich nicht dem Anspruch der ARD und den Programmgrundsätzen, insbesondere anerkannten journalistischen Grundsäten, entsprechen, Nachrichten, die man an ein Millionenpublikum verbreitet, lediglich durch Lesen von Internetportalen anderer Medien zu recherchieren. Mit freundlichen Grüßen

Ich bin gespannt auf die Antworten von Herrn Marmor und dem Rundfunkrat des WDR.

 

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