Stimme aus der Schweiz zu „Die Abschaffung des Bargelds“

Christoph Pfluger ist Chefredakteur des Schweizer Magazins „Zeitpunkt“ , für das er ein Interview mit mir geführt hat. Nachdem er mein Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“ gelesen hat, schreibt er auf seinem Blog folgende ausführliche Rezension:

Bargeld: Die Bürger sind gefordert

Man kann mit der «Abschaffung des Bargelds und die Folgen» problemlos einen höchst anregenden faulen Sonntag verbringen. Das neuste Buch von Norbert Häring hat 250 Seiten und ist so flüssig und packend geschrieben, dass man es nicht mehr weglegen mag. In der Tat: Der Autor beschreibt einen globalen Kriminalfall, der vor unseren Augen vorbereitet wird. Ein Kriminalfall ist es, weil die Begründung der Bargeldabschaffer nicht mit ihren tatsächlichen Absichten übereinstimmt und weil die Folgen zu gewaltigen Umverteilungen führen werden, derer sich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht bewusst sind.

Worum geht es? Seit rund drei Jahren wird weltweit an der Abschaffung des Bargeldes gearbeitet, angeblich weil es im Vergleich zum elektronischen Geld zu teuer und zu umständlich sei und weil es bevorzugt bei kriminellen Aktivitäten und zur Steuerhinterziehung eingesetzt werde. Aber das ist nur ein Vorwand, wie Häring deutlich macht. Zum einen sind Bargeldabschaffer der «Group of Thirty», einer informellen Vereinigung von Grossbanken, Zentralbanken, ehemaligen Regierungsmitgliedern und ein paar Wissenschaftlern, gerichtsnotorisch für genau die Delikte, die sie zu bekämpfen vorgeben. Sämtliche Mitglieder aus dem Privatbankensektor bezahlten horrende Summen, um Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche einzustellen. Wenn sie jetzt die Bargeldabschaffung forcieren, kommt einem dies vor, wie wenn sich die Mafia plötzlich für Waffenkontrolle stark macht. Auch die beteiligten Zentralbanken – offiziell Hüter des gesetzlichen Zahlungsmittels – sind aktiv daran, seinen rechtlichen Status mit allerhand Behinderungen in Frage zu stellen. EZB-Chef Draghi winkte ein Reihe von nationalen Gesetzen zur Einschränkung der Bargeldverwendung durch, die er von Amtes auf Konformität mit dem EU-Vertrag prüfen musste. Und dieser bezeichnet den Euro als einziges gesetzliches Zahlungsmittel. Die Schweizerische Nationalbank ihrerseits ermunterte Banken, mit dem gesetzlich garantierten Umtausch von Giroguthaben in Bargeld restriktiv umzugehen.

Eines der wesentlichen Motive für die Bargeldabschaffung macht der Titel einer Konferenz deutlich, die ebendiese Schweizerische Nationalbank mit dem Institut eines Hedefonds am 18. Mai 2015 in London ausrichtete: «Removing the Zero Lower Bound on Interest Rates Conference» – Beseitigung der Nullzins-Untergrenze. In der Tat: Die weltweit drückende Schuldenlast soll durch erleichterten Zugang zu Krediten gemildert, bzw. in die Zukunft verschoben werden. Und weil die Zinsen schon bei null liegen, können sie nur weiter gesenkt werden, wenn den Sparern das Ausweichen auf Bargeld verwehrt wird.
Die Förderung realwirtschaftlicher Investitionen, das zentrale Argument für Negtativzinsen hält Häring eher für einen Vorwand als eine Begründung, weil das billige Geld nur die Preise der Vermögenswerte in die Höhe treibt und die Reichen reicher macht.

Ein weiteres Argument, aber darüber wird nur verklausuliert gesprochen, ist die Verhinderung eines Bank Runs. Wenn das Vertrauen in das Geld der Banken schwindet, werden es die Sparer gar nicht erst abziehen können. Das wird die Banken mit Sicherheit zu riskanteren Anlagen verleiten.

Das bargeldlose Bezahlen wird seit einigen Jahren mit Nachdruck in afrikanischen Ländern durchgesetzt, nicht zuletzt in enger Zusammenarbeit zwischen der staatlichen Hilfsorganisation USAID und der Grossbank Citigroup. Damit solle u.a. die Korruption bekämpft werden, schrieben sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Wieder machte sich der Bock zum Gärtner; Citicorp musste sich mit mehreren Milliarden Dollar von einer Strafverfolgung wegen illegaler Praktiken und Markmanipulationen loskaufen. Das Beispiel zeigt: Mit einem Bargeldverbot verändern sich nur Täter und Dimension des Betrugs, von den vielfältigen Möglichkeiten der Überwachung ganz zu schweigen. Schon heute werden die privat erhobenen Transaktionsdaten in einem Ausmass genutzt, das sich der unbedarfte Zeitgenosse fast nicht vorstellen kann, wie Häring in einem ausführlichen Kapital unter dem Titel «Der Weg in die totale Kontrolle» eindrücklich schildert. Dass diese Überwachungsmöglichkeiten mit einem Bargeldverbot plötzlich zum Guten verwendet würden, ist unwahrscheinlich, zumal der Mensch dannzumal für alle seine Zahlungen gezwungen wird, den Banken Kredit zu geben.

Denn das Bargeld auf unseren Konten ist in Tat und Wahrheit Kredit an die Bank, die ihr Versprechen, es jederzeit wieder in Bargeld umzutauschen, nicht einhalten kann. Die Banken haben dafür bei weitem nicht genügend Reserven.

Das Bargeldverbot und die damit wegfallende Einlösepflicht erweitert die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Banken erheblich. Was das gesamtwirtschaftlich bedeutet, ist schwer zu sagen. Aber Norbert Häring zieht eine interessante Parallele zur 1971 aufgehobenen Pflicht der USA, Dollar jederzeit gegen Gold zu tauschen: «Die USA erzielen auf ihre Aktiva im ausland erheblich höhere Renditen, als sie umgekehrt den Ausländern für deren US-Aktiva zahlen müssen. Solange der Dollar mit Gold gedeckt war, mussten sie sich mit einem Renditevorteil von einem Viertel Prozentpunkt bescheiden. Nach 1973 schwoll der Renditevorteil der USA einschliesslich Wechselkurseffekte auf satte 3,3 Prozentpunkte pro Jahr an. … Die US-Banken und Kapitalanlagegesellschaften nutzten die durch das Ende der Goldbindung neu gewonnene Freiheit, um immer mehr Dollar in höherrentierliche Anlagen im Ausland anzulegen. … So wie damals die USA und ihre Banken können dann auch unsere Banken viel ungenierter in riskantere, weniger liquide und hochrentierliche Anlagen investieren. Sie müssen ja nicht mehr befürchten, dass es bei zwischenzeitlichen Verlusten zu einem Bank Run der Einleger kommt.» Ein Bargeldverbot dürfte für den Finanzsektor also zu einem ziemlich guten und vor allem sicheren Geschäft werden.

Neben dem bürgerlichen Widerstand favorisiert Häring als Lösung die Umwandlung des privaten Giralgeldes der Banken in von der Zentralbank garantiertes elektronisches Geld, wie es beispielsweise die Schweizer Vollgeld-Initiative fordert. Dies würde nicht nur das Geld auf den Bankkonten vor Pleiten sichern, sondern auch für einen erheblichen Geldschöpfungsgewinn sorgen. Dieser fällt zur Zeit noch bei den privaten Banken an und liegt im Euroraum bei insgesamt 300 Mrd. Euro pro Jahr.

Norbert Härings Buch ist eine ausgezeichnete Einführung in ein Thema, das bestimmt noch sehr hohe Wellen schlagen, wenn nicht sogar einen Tsunami auslösen wird. Es erklärt die Grundlagen unseres Geldsystems, stellt die Bargeldabschaffung in einen grösseren Zusammenhang und eignet sich deshalb auch für Laien. Aber auch wer die Katakomben unseres Finanzsystems schon einigermassen kennt, kann mit Härings Buch einen anregenden faulen Sonntag verbringen. Am Abend hat man dann eine grosse Sicherheit: Der nächste Montag kommt schon bald. Dann heisst es: Ärmel hochkrempeln und sich für das Bargeld einsetzen. Es ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, das wir haben. Geht es, kommt die Willkür.

Norbert Häring: Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen – der Weg in die totale Kontrolle. Quadriga, 2016. 256 S. Geb. € 18.–.

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