Niemand hat die Absicht das Bargeld abzuschaffen

Wir sollen glauben, dass die Europäische Zentralbank aus eigener Initiative beschlossen hat, den 500-Euro-Schein abzuschaffen. Es soll scheinen, als sei sie ein klein bisschen spät doch noch zu der Überzeugung gekommen, dass viele Kriminelle diesen Schein nutzen. Wir sollen schlucken, dass, ganz zufällig, kurz vorher die SPD-Fraktion im Bundestag  genau das gefordert hat, und dass das nichts damit zu tun hat, dass wiederum kurz vorher der Chef der Deutschen Bank in Davos das Ende des Bargeldes forderte und voraussagte. Wir sollen glauben, dass die Aktion der SPD-Fraktion nicht bestellt war, um das Feld für  CDU-Finanzminister Schäuble zu bereiten, damit dieser kurz darauf eine Obergrenze für Barzahlungen fordern konnte – obwohl das in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt hat.

Wir sollen glauben, all das passiert, weil Studien, die „zufällig“ gerade zu der Zeit veröffentlicht wurden, bewiesen, wie groß das Geldwäsche- und Kriminalitätsproblem des Bargelds wirklich ist.

Anders ausgedrückt: wir sollen nicht etwa denken, dass das alles Teil einer generalstabsmäßig vorangetriebenen Kampagne zur  weitgehenden Abschaffung von Bargeld ist, die uns alle zu Geiseln der Finanzbranche und gläsernen Objekten der kommerziellen und staatlichen Totalüberwachung macht.

 Dabei sind die Indizien für diese zweite Sichtweise geradezu erdrückend. So erdrückend, das sogar der Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Bundesbank bei einer Anhörung im Düsseldorfer Landtag den Begriff „Krieg gegen das Bargeld“ zustimmend benutzte.

Die EZB macht nun genau das, was die Gallionsfiguren der Anti-Bargeld-Kampagne, Ken Rogoff und Wim Buiter, vor knapp einem Jahr gefordert haben, auf einer Geheimkonferenz der Schweizerischen Nationalbank in London – bei der auch die EZB stark vertreten war. Sie schafft den größten Geldschein ab. Nicht von ungefähr habe ich Mario Draghi in meinem Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“, das Redaktionsschluss Ende November hatte, zum engeren Kreis des Anti-Bargeld Netzwerks gezählt, zusammen mit dem ehemaligen US-Finanzminister und heutigen Finanzlobbyisten Larry Summers und Summers Harvard-Kollegen und Ex-IWF-Chefökonom Ken Rogoff. Wim Buiter ist Chefvolkswirt der US-Großbank Citi. Die Citi wiederum ist Financier der sogenannten Better-Than-Cash-Alliance, in der sich Finanzdienstleister und Datenfirmen für eine bargeldlose Welt einsetzen.

Sukzessive die größten Scheine beseitigen, bis höchsten noch 20-Euro- oder 20-Dollar-Scheine da sind, ist eine der Strategien, die Wim Buiter und Ken Rogoff auf der Londoner Konferenz befürworteten. Damit soll Bargeld irrelevant und für die Finanzbranche unschädlich gemacht werden. Nur ein Dreivierteljahr hat es gedauert, und die EZB tat unter Draghi, wie ihr geheißen. Und selbst unser konservativer Finanzminister macht entgegen dem bekannten Volkswillen mit und will plötzlich Barzahlung von größeren Rechnungen verbieten lassen.

Wer nach objektiven Gründen für diesen plötzlichen Aktivismus forscht, wird kaum fündig, ebensowenig, wer versucht, eine vorangegangene gesellschaftliche oder politische Debatte innerhalb Deutschlands oder der EZB aufzufinden, die in diese Richtung gegangen wäre.

Was man vielmehr zuhauf findet, sind Indizien für einen von der internationalen Finanzbranche geführten Krieg gegen das Bargeld. Das ist erst einmal die Konferenz in London, organisiert von der schweizerischen Notenbank gemeinsam mit einem Hedegefonds-Institut . Sie lief unter der Überschrift „Beseitigung der Nullzinsuntergrenze“. Es ging darum, wie man bei negativen Leitzinsen, wie sie die Schweizer bereits haben, den armen Geschäftsbanken ermöglichen kann, diese an ihre Einlagenkunden weiterzugeben. Denn solange es Bargeld gibt, ist das nur sehr begrenzt möglich. Die Kunden können dann einfach das Geld abheben und zinslos in den Safe legen. In der Schweiz mit ihren schon deutlich negativen Leitzinsen, ist das für Großeinleger einschließlich Versicherungskosten schon billiger, als die Negativzinsen zu zahlen. Deshalb musste die Notenbank dort bereits zu dem gesetzwidrigen Notnagel greifen, die Banken anzuweisen, ihren Einlegern keine großen Bargeldbeträge mehr auszuzahlen.

Aber womit argumentierten die Hauptredner auf dieser Konferenz zur Beseitigung der Nullzinsgrenze? Mit dem davon völlig unabhängigen Argument, Bargeld begünstige Kriminalität und Geldwäsche. Offenkundig ist es aussichtsreicher dafür in den Medien und der Öffentlichkeit Rückhalt zu finden, als für Einschränkungen unserer Handlungsfreiheit zugunsten der Banken. Das Ganze ist nur ein Vorwand.

Dafür braucht man tunlichst Propagandamaterial, am besten in Form von „wissenschaftlichen“ Studien. Und so gab denn, gerade zur Zeit dieser Konferenz Larry Summers eine Studie in Auftrag, die zeigen sollte, wie böse Bargeld ist. Auftragnehmer war ein geschasster Bankchef, Peter Sands, dem Summers in seiner Harvard-Abteilung Asyl als Wissenschaftler gewährte, obwohl er keinerlei wissenschaftliche Meriten hat. Als dann die EZB im Februar die Abschaffung des 500ers in Aussicht stellte, legte Summers in Zeitungskolumnen in der FT und der Washington Post nach, mit der Forderung, auch den 100-Dollar-Schein abzuschaffen. Er berief sich dabei auf die Studie von Sands. „Studie“ ist dabei zu viel gesagt. Es ist eine oberflächliche Aneinanderreihung von Fotos und Berichten über Bargeldfunde bei Kriminellen. In einer weiteren Kolumne, in der Summers zusammen mit Sands seine Forderung nochmal verteidigte, fügten die Redaktionen die Offenlegung hinzu, dass Summers bei einer ganzen Reihe von Fintech-Unternehmen engagiert ist. Das ist die Art von Firmen, die, von den Bargeldbegrenzungen massiv profitieren.

Auch Finanzminister Schäuble überließ die Sache nicht dem Zufall. Bei seiner Forderung nach einer Barzahlungsobergrenze berief er sich auf eine von seinem Ministerium selbst in Auftrag gegebene „Studie“ des Juristen Kai Bussmann, die bereits seit August 2015 vorlag. Das offenkundig bestellte Ergebnis wurde über die Medien breit gestreut, die Studie selbst aber nicht veröffentlicht – aus gutem Grund.

Das über die Medien verbreitete Ergebnis der Studie war angeblich: Jährlich werden in Deutschland gut 100 Milliarden Euro illegales Geld gewaschen.

Tatsächlich hatte der Autor nur ein Volumen von 20 Milliarden Euro ermittelt, und zwar nicht einmal von Geldwäsche, sondern nur Geldwäscheverdachtsfälle. Um das bestellte spektakuläre Ergebnis abzuliefern tat Bussmann nichts anderes als kurz auf das angebliche Ergebnis einer fremden Studie zu verweisen, die er kurzerhand für plausibler erklärte, als das eigene Ergebnis. Dumm nur: wenn man in jener anderen Studie nachschaut, ist dort zwar von 109 Milliarden Euro die Rede. Es wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das nicht Geldwäsche in Deutschland sei, sondern internationales Schwarzgeld, das potentiell in Deutschland gewaschen werden KÖNNTE. Kein Wunder, dass die Studie Bussmanns unveröffentlicht blieb.

Mit der Anti-Bargeld-Konferenz der schweizerischen Nationalbank im Mai 2015 fing der Kampf gegen das Bargeld keineswegs an. Sie markierte nur den Übergang in Europa von der allmählichen Zurückdrängung zum offenen Halali auf das Bargeld. International ist dieser Krieg gegen das Bargeld schon viel länger in Gang, praktisch seit Ausbruch der Finanzkrise.

Seit 2012 gibt es die schon erwähnte „Better Than Cash Alliance“ (Besser als Bargeld Allianz), in der sich Citi, Mastercard, Visa und Bill Gates, bzw. deren Stiftungen, für die weltweite Zurückdrängung des Bargelds in den armen Ländern Afrikas und Asiens stark machen. Die treibenden Kräfte sind also genau die, die davon profitieren, wenn die Menschen keine Alternative zum bargeldlosen Zahlungsverkehr mehr haben.

Im Entwicklungsländer-Kontext war der Vorwand zur Bargeld-Bekämpfung nicht etwa Geldwäsche, sondern die falsche Behauptung, durch Zurückdrängen des Bargelds könne man die Teilhabe der armen Bevölkerungsschichten an Finanzdienstleistungen verbessern. Das nennt sich „finanzielle Inklusion“ und hat sich zu einem riesigen Wucher-Geschäft für die Finanzbranche entwickelt. Dabei ist Zurückdrängung des Bargelds das Gegenteil von finanzieller Inklusion? Bargeld ist die mit großem Abstand einfachste Technologie um am Zahlungsverkehr teilzunehmen. Es braucht dafür fast keine Infrastruktur. Ohne Bargeld können nur noch diejenigen ein  kleines, informelles Geschäft oder Handwerk betreiben, die sich die Infrastruktur für den bargeldlosen Zahlungsverkehr leisten können, und die Kunden mit Bankkonten haben.

Die Better Than Cash Alliance ist nicht die erste und nicht die einzige Anti-Bargeld-Gruppierung im Dienste der amerikanischen Finanz- und Datenbranche. Zitat von der Website der Allianz:

„Angesiedelt bei der UN hat die Allianz über 40 Mitglieder und arbeitet eng mit anderen globalen Organisationen zusammen und ist ausführender Partner der G20 Globalen Partnerschaft für finanzielle Inklusion.“

Diese Partnerschaft der G20, also der großen Industrie- und Schwellenländer, für finanzielle Inklusion hat sich zu einer Partnerschaft gegen das Bargeld gemausert. Auf den Weg gebracht wurde diese Partnerschaft von Unternehmen der Finanz- und Datenbranche, die wir schon kennen, in Kooperation mit der Weltbank. Da ist etwa die 1995 zur Verbreitung und Durchsetzung marktbasierter Mikrofinanz in armen Ländern gegründete Consultative Group to Assist the Poor (CGAP) zu deren Sponsoren die alten Bekannten gehören, die Gates Foundation, die Ford Foundation sowie Citi und Master Card, sowie zusätzlich noch die Metlife Foundation und die Dell Foundation. Das Sekretariat ist bei der Weltbank.

Da ist ferner die Alliance for Financial Inclusion (AFI), die ebenfalls die G20 Prinzipien zur finanziellen Inklusion als Beraterin mit erarbeiten durfte und nun zu den ausführenden Partnern gehört. Auch sie wird finanziert von alten Bekannten, der Gates-Stiftung, Master Card und Visa, außerdem der spansichen Großbank BBVA. Gegründet wurde die AFI 2008 als „erstes globales Wissensaustauch-Netzwerk“ für Notenbanker und Regulierer von Entwicklungsländern. De fakto wurde die Gruppe also von der Daten- und Finanzbranche ins Leben gerufen, damit man den Arbeitsgruppen der G20 als Feigenblatt ein paar Notenbanker aus den betroffenen Ländern als „Berater“ zuführen konnte. Auf diese Weise wurde es nicht gar so offensichtlich, dass hier Datenkraken und Finanzdienstleister aus  Industrieländern entscheiden, was in Sachen finanzielle Entwicklung für Entwicklungsländer gut ist –  und dass sich dies zufällig zu 100% mit ihrem eigenen Geschäftsinteresse deckt.

Nach den Entwicklungsländern wandte man sich den Krisenländern in der europäischen Peripherie zu. Es ist sehr erhellend zu sehen, wer die ersten Barzahlungsobergrenzen durchgesetzt hat, die ab 2010 in immer schnellerem Rhythmus beschlossen wurden.

2010 in Bulgarien: Simeon Djankow, ein gerade von der Weltbank geholter Finanzminister, der später, nachdem er vom Volk aus dem Amt gejagt worden war, an der Harvard Universität  bei Larry Summers Zuflucht fand.

2011 in Italien: Mario Monti, ehemaliger EU-Kommissar und Goldman-Sachs-Berater als Chef einer Technokraten-Übergangsregierung, nachdem Silvio Berlusconi auf Druck von EZB, Bank von Italien und EU-Kommission zurückgetreten war.

2012 in Portugal: Finanzminister Vitor Gaspar, langjähriger Leiter der EZB-Forschungsabteilung.

In meinem Buch sprach ich davon, dass die Anti-Bargeld-Kampagne zunächst planmäßig in der Peripherie betrieben und danach erst in die Zentren getragen werde. Deshalb bin ich kein bisschen überrascht davon, was derzeit in Sachen Forderung nach einer Bargeldobergrenze und Abschaffung des 500-Euro-Scheins bei uns passiert.

Umso wichtiger ist bürgerliche Gegenwehr, wie etwa durch die Pro-Bargeld-Demonstration am 13. Mai in Frankfurt, oder durch mein Beharren auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags, das beim Verwaltungsgericht Frankfurt zur Entscheidung anliegt. Mein Journalistenkollege Raimund Brichta versucht ähnliches mit dem Finanzamt.

Warum Gegenwehr? Weil wir völlig gläsern und manipulierbar werden, wenn alle unsere Käufe über Buchgeld laufen und dauerhaft aufgezeichnet werden. Weil wir zu Geiseln der Banken werden, wenn es keine Alternative mehr zum Buchgeld der Banken gibt. Sie können dann gänzlich ungehindert spekulieren. Wenn es schief geht, können ganz einfach die Einleger enteignet werden, wie in Zypern und Griechenland geschehen.

Gerade den Rechtsweg halte ich für besonders aussichtsreich um Widerstand zu leisten. Denn die Bargeldbeschränkungen, wie sie vorgeschlagen und zum Teil schon umgesetzt werden, sind rechtswidrig. Sie widersprechen dem Bundesbankgesetz (§14) und dem EU-Vertrag (Artikel 128), die Banknoten zu unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmitteln erklären. Ein EU-Staat hat ganz einfach nicht das Recht, zu verbieten, mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel des Euroraums zu bezahlen.  Eine deutsche Behörde hat nicht das Recht, die Annahme von Bargeld zu verweigern.

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