Moscovicis Märchenstunde

Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici entführt die Leser des Handelsblatts am Dienstag mit einem Gastkommentar in eine Fantasiewelt. In dieser sind „die Regierungen nicht mehr gezwungen auf Kosten der Steuerzahler Banken über Wasser zu halten.“ Banken werden in dieser Fantasiewelt künftig selbst für die Rettung von ihresgleichen aufkommen müssen, weil „ein Schutzwall zwischen kostspieligen Bankenpleiten auf der einen Seite, Steuerzahlern und Sparern auf der anderen“ Seite errichtet worden ist. Zu danken haben wir das laut Moscovici dem französischen Präsidenten Hollande, der die Initiative für die Bankenunion eingebracht hat. Inzwischen habe man sich sogar mit dem anfangs skeptischen Wolfgang Schäuble geeinigt. Alle diese Behauptungen, die Moscovici an prominenter Stelle den deutschen Lesern des Blattes darbringt, sind falsch.

Während Moscovici behauptet, es sei vereinbart, dass der sogenannte Rettungsfonds ESM Banken direkt retten könne, also ohne dass die Rettungsmilliarden dem Heimatstaat als Schuld zugerechnet werden, besteht Schäuble zumindest öffentlich darauf, dass das nicht in die Tüte kommt.

Der angebliche Schutzwall ist nicht mehr als ein niedriger Gartenzaun, der Ansprüche zwar markiert, aber nicht ernsthaft verteidigt. So reicht der von Moscovici hochgelobte gemeinsame Abwicklungsfonds von 60 Milliarden Euro, den die Banken bestücken müssen, selbst wenn er irgendwann einmal gefüllt ist, bestenfalls zur Rettung oder Abwicklung einer einzigen mittelgroßen Bank. Warum die europarechtlich äußerst fragwürdige Übertragung der Oberhoheit über die Bankaufsicht auf die Europäische Zentralbank (EZB) eine Gewähr bieten soll, dass die Banken künftig keine Finanzkrise mehr vom Zaum brechen, bleibt Moscovicis Geheimnis. Schließlich ist die EZB bisher ausgesprochen selten (sprich nie) als besonders streng gegenüber zockenden Großbanken aufgefallen. Sie hat vor der Krise die Deregulierung des Finanzsektors und insbesondere des Derivateunwesens betrieben und gepriesen. Dort wo die nationalen Notenbanken, die mit der EZB das Eurosystem bilden, für die Bankaufsicht zuständig waren – und das war in den meisten Ländern der Fall -, haben sie völlig versagt.

In Wahrheit geht es darum, bei der nächsten Finanzkrise Zugriff auf das tiefere Portmonnaie der europäischen Steuerzahler zu bekommen, um die Großbanken zu retten. Denn die nationalen Steuerzahler sind in Anbetracht des riesigen Rades, das diese Banken drehen, schnell überfordert. Das hat diese Krise gezeigt.

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