Kubicki, Wagenknecht und die universelle Methode der Diffamierung

Ein Leser hat die Nazi-Verunglimpfung von Sahra Wagenknecht auf Telepolis mit der von Wolfgang Kubicki in der Welt als antisemitisch argumentierend in Beziehung gesetzt. Noch während ich dem Autor des kritisierten Artikels vorab Gelegenheit zur Stellungnahme gebe, veröffentlicht dieser heimlich Beiträge, in denen er mich als Verschwörungstheoretiker und als so etwas wie einen moderaten Antisemiten diskreditiert.

Vorbemerkung: Der vom Leser meines Blogs, H. Mattheß, kritisierte Autor des Kommentars gegen Kubicki in der Welt, Alan Posener, bekam am Donnerstag 23.11.vorab Gelegenheit zu einer Erwiderung, die er am Freiagabend auch schickte. Er zog seine Veröffentlichungsgenehmigung am Sonntag zurück, nachdem ich ihm meine Anmerkungen zu vermeintlichen Widersprüchen in seiner Argumentation vorab schickte. Was ich nicht wusste und erst am Sonntagabend von dritter Seite erfuhr: Posener hatte zwischenzeitlich am 24.und 26. November bereits zwei lange Beiträge auf einem Blog veröffentlicht, den er mit anderen betreibt. Darin bezeichnet er mich als Verschwörungstheoretiker und als jemand mit einem „Juden-Knax“. Dem Leser wird nicht offenbart, dass Posener hier die Zeit, die ihm die faire Gelegenheit zu einer Stellungnahme bot, genutzt hat, um denjenigen, der einen Text von ihm kritisieren würde, schon einmal vorab und ohne Gelegenheit zur Widerrede öffentlich zu diskreditieren. Verschwörungstheoretiker bin ich wegen meines Einsatzes zum Erhalt des Bargelds. Für den „Juden-Knax“ zieht er herbei, dass ich den Antisemitismusvorwurf gegen Ken Jebsen vor geraumer Zeit einmal kritisch hinterfragt habe. Besser kann man die These nicht belegen, dass derartige Verunglimpfungen von Leuten wie Posener auch gezielt genutzt werden, um politische Gegner zu bekämpfen. Weil ich jemand verteidigen will, der als Antisemit hingestellt wird, weil er einen Dritten verteidigt hat, dem antisemitisiche Äußerungen vorgerworfen wurden, habe ich jetzt selbst einen „Juden-Knax“. Das ist stark und konsequent. 

Herr Posener kritisiert, dass Herr Mattheß an mich statt an ihn geschrieben habe. Herr Mattheß berichtet auf Nachfrage, seine kritischen Bemerkungen habe er zuerst in die Kommentarfunktion des Welt-Artikels gepostet. Dort seien sie aber nicht freigeschaltet worden, weil sie – wie ihm auf Nachfrage später gesagt worden sei – eine Unterstellung enthielten.

Etwas peinlich ist, dass Posener ausweislich der Kommentarspalte seines Blogs, versehentlich „Jürgen“ Kubicki schrieb;  wo er doch so genüsslich auf Fehler in Namen in einer bis dato unveröffentlichten E-Mail hinweist. Die E-Mail, die ich ihm schrieb, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, hat er widerrechtlich veröffentlicht, ohne eine Genehmigung einzuholen. Für den Tippfehler in seinem Namen in einer zu eilig geschriebenen E-Mail hatte ich mich bei ihm schriftlich und mündlich entschuldigt, ebenso dafür, dass meine E-Mail den nötigen Abspann zur Kenntlichmachung der Publikation versehentlich nicht enthielt.

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Nun zur inhaltlichen Kontroverse, die eigentlich im Vordergrund stehen sollte. H. Mattheß aus Dresden schreibt:

„Sie hatten sehr detailliert über die Methoden eines Thomasz Konicz geschrieben (hier), der mittels Assoziationen Andersdenkende denunziert. Heute hat die WELT einen Meinungsbeitrag von Alan Posener veröffentlicht, welcher dem gleichen Muster folgt.

Ich bin wahrlich kein Verteidiger der FDP, aber Herr Posener hat meines Erachtens eine lupenreine Denunziation mittels Assoziation gegen Wolfgang Kubicki (FDP) abgeliefert. Selbst nach mehrmaligen Lesen und einer gewissen Kulanz in der Interpretation kann ich den Beitrag nicht anders bewerten. Herr Posener intendiert einen Antisemitismusverdacht gegen Kubicki ohne ihn aber konkret auszusprechen. Ihm reicht es, auf eine frühere persönliche Nähe zu Möllemann hinzuweisen: ‚Der [Kubicki] ist für mich fatal. Er war ja Vertrauter Jürgen Möllemanns, der mittels einer antisemitischen Kampagne gegen Michel Friedman die FDP in die Spur der FPÖ setzen wollte.‘

Weiter verweist Posener auf Kubickis einstige Kritik an der Antisemitismuskeule: „Antisemitische Denunzierung reicht immer aus, um jemanden komplett hinzurichten“, sagte Kubicki anlässlich Möllemanns Tod 2003. Selbst diese damalige Kritik an Denunziation* wird von Posener heute für eine solche benutzt, um Kubicki als Antisemit einzustufen, was aus Poseners Text weiter unten indirekt(!) geschlossen werden muss: ‚Das ist eine Ungeheuerlichkeit [Kubickis Kritik von 2003], die nicht besser wird, weil sie für den antisemitischen Diskurs typisch ist.‘, schreibt Posener.

Fazit: Obwohl Posener kein einziges belegbares Zitat für Antisemitismus seitens Kubicki anführt, rückt er ihn in exakt diese Ecke, indem er diesen unterstellt, einen „typisch […] antisemitischen Diskurs“ zu führen. Und da einen solchen Diskurs natürlich nur Antisemiten führen, sollen Leser wohl den Schluss ziehen: Kubicki ist Antisemit! Das kann Posener natürlich nicht direkt schreiben, schon gar nicht bei einem Anwalt, deshalb wird subtil und zielgerichtet assoziiert. Was Kubicki bereits 2003 beklagte, nämlich die Denunziation von Personen mittels Antisemitismusvorwürfen, exekutiert Herr Posener heute 14 Jahre später aufs Neue, und dies auch noch durch Rückgriff auf eine Äußerung von vor 14 Jahren. Ob vorsätzlich, oder Poseners Denken einfach so strukturiert ist, muss offen bleiben.“

* denunzieren bedeutet laut Duden: 1. (abwertend) [aus persönlichen niedrigen Beweggründen] anzeigen oder 2. als negativ hinstellen, öffentlich verurteilen, brandmarken. Herr Posener verwendet eine andere Definition unbekannter Herkunft (N.H.).

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Ich stimme H. Mattheß zu. Da Herr Posener nun seine Stellungnahme selbst veröffentlicht hat, kann ich mich auch dazu äußern:

Posener trennt in antisemitische Argumentation, die angeblich objektiv feststellbar und damit eine Tatsache ist, und antisemitische Einstellung, die grundsätzlich nicht feststellbar und damit auch nicht vorwerfbar sei. So eine Trennung ist nützlich, wenn man durch Assoziation verleumden will, ohne sich gerichtlich angreifbar zu machen. Aber sie trägt nicht. Es ist zum Einen keine objektive Tatsache, sondern Interpretationssache, ob eine bestimmte Äußerung – z.B. Kritik an der israelischen Regierung, wie Möllemann sie äußerte – antisemitisch ist, oder nicht. Und natürlich kann man zum Anderen jemand guten Gewissens und gerichtsfest vorwerfen, er sei Antisemit, wenn er etwa sagt „Juden sind böse.“

Als Beispiel für seinen Punkt führt Posener den Altherren an, der einer Frau ein Kompliment machen will, aber dies mit einem sexistisch aufgeladenen Spruch tut. Selbst wenn man da mitgehen würde, zeigt die Lektüre von Poseners Artikel, dass er es so nicht gemeint hat, und auch nicht will, dass seine Leser es so verstehen. Denn wenn er die Möglichkeit zulassen würde, dass Kubicki nur einer Fehleinschätzung erlegen wäre, indem er Möllemann in Schutz nahm, dann hätte er keinen legitimen Grund, 14 Jahre später (!) ohne zwischenzeitlichen neuen Anlass zu schreiben: „Der ist für mich fatal.“

„Der“, also Kubicki, als Mensch oder als Politiker, ist für Posener fatal.

Hauptvorwurf Russlandnähe?

Der Folgesatz „Er war ja Vertrauter Jürgen Möllemanns, der mittels einer antisemitischen Kampagne gegen Michel Friedman die FDP in die Spur der FPÖ setzen wollte“, straft dazu noch Poseners Behauptung Lügen: „Mein Hauptvorwurf an Herrn Kubicki (war) nicht seine Nähe zum verstorbenen Herrn Möllemann ist, sondern seine Lobbytätigkeit für eine Pipeline, deren Bau in der geplanten Form nach meinem Dafürhalten nicht im deutschen, wohl aber im russischen Interesse ist.“ Kubickis Freundschaft mit Möllemann kommt unmittelbar und in klarem Begründungszusammenhang nach dem „fatal“. Die Pipeline kommt erst drei Absätze später, eingeleitet mit einem unscheinbaren „Apropos“.

Bedenkt man allerdings, dass Kubickis Unterstützung von North Stream eine der wenigen Schnittmengen mit dem – auch bei der Welt – beliebten Verleumdungsziel Sahra Wagenknecht aufzeigt, dass beide nämlich zu den wenigen Politkern (außerhalb der AfD) gehören, die sich der Nato-Kampagne gegen Russland offen widersetzen, dann mag man sogar glauben, dass für Posener der Russland-Aspekt der Anlass und die Hauptmotivation dafür war, Kubicki gerade jetzt noch einmal in ein antisemitisches Schummerlicht zu tauchen. Als Wagenknecht RT Deutsch ein Interview gab, war das Anlass und Grund genug für die Welt, sie mit Alexander Gauland (der einmal in Moskau war) und mit einer rechtsextremen Partei (die Putin gut findet) in Zusammenhang zu stellen, sowie mit rechten Verschwörungstheoretikern (weil sie die EU kritisierte) und mit Nazis (weil sie die Nato durch ein System kollektiver Sicherheit ersetzen wollte).

Auch Posener geht nicht zimperlich dabei vor, Kubicki durch Assoziation antisemitisches Gedankengut zu unterstellen. Er zitiert Kubicki mit: „Er hatte das Potenzial an Verunglimpfung gegen sich nicht gesehen, als er Michel Friedman vom Zentralrat der Juden angriff. Antisemitische Denunzierung reicht immer aus, um jemanden komplett hinzurichten.“ Doch im weiteren Verlauf des Artikels macht er daraus: „Den Juden wird die Macht und der Wille unterstellt, ihre Kritiker ‚hinzurichten‘.“ Noch verfälschender überspitzt er Kubickis Aussage in seiner Replik auf H. Mattheß: „Herr Kubicki meinte, Möllemanns einziger Fehler sei gewesen, die Macht der Juden zu unterschätzen.“ Michel Friedman ist eine Person. Er ist nicht „die Juden“. Kubicki hat nicht gesagt, Möllemann habe „die Macht der Juden“ unterschätzt, jedenfalls habe ich nichts dergleichen gefunden. Er hat auch nicht gesagt, dass es vor allem oder nur „die Juden“ seien, die den Antisemitismusvorwurf hin und wieder auch nutzen, um politischen Gegnern zu schaden oder Tabus durchzusetzen. Nach meiner subjektiven Wahrnehmung agieren sehr oft Nichtjuden in dieser Weise.

Antisemitische Beweislastumkehr?

Posner schreibt: „Der antisemitische Diskurs (…) umfasst bestimmte Denk- und Sprachfiguren (…) wie im Fall der Äußerungen des Herrn Kubicki – und Ihres (…) Lesers – die Umdrehung der Beweislast und des Vorwurfs: Wer eine antisemitische Äußerung kritisiert, soll beweisen, dass der Sprecher Antisemit ist, oder die Kritik unterlassen, sonst wird ihm eine böse Absicht unterstellt.“ Es zeugt von einem sonderbares Rechtsverständnis, es Umkehrung der Beweislast und sogar antisemitisch zu nennen, wenn derjenige, der jemand anschuldigt, diese Anschuldigung belegen soll. Um das verminte Terrain Antisemitismus kurz zu verlassen: Wenn jemand die Möglichkeit in den Raum stellt, dass ein Vergewaltigungsvorwurf auch falsch sein könnte, dann sagt er damit in keiner Weise, dass alle derartigen Vorwürfe falsch sind und alle Frauen nur die Männer in die Pfanne hauen wollen. Er sagt nur, „in dubio pro reo“ und dass ein Angezeigter eine faire Chance haben muss, sich zu verteidigen und von anderen verteidigt zu werden. Der Angeschuldigte hat, wenn er mit seinem vermeintlichen Opfer bekannt ist, nur die Wahl, sich schuldig zu bekennen, oder das vermeintliche Opfer der Lüge zu bezichtigen. Insofern ist es in einem fairen Verfahren fast unvermeidlich, dass diejenige, die die Anschuldigung führt, den Vorwurf der Falschanschuldigung aus irgendwelchen niederen Beweggründen ausräumen muss, so unschön das ist. Das ist beim öffentlichen Antisemitismusvorwurf ganz ähnlich. Ich kann nicht erkennen, dass darin schon ein „objektiv antisemitischer Diskurs“ liegt, wie Herr Posener behauptet. Das wäre nur der Fall, wenn objektiv ausgeschlossen wäre, dass ungerechtfertigte Antisemitismusvorwürfe auch manchmal mit der Absicht zu schaden  in die Welt gesetzt werden.

Gerade daran, dass sich Poseners Attacke gegen jemand richtet, dem er keinen anderen Vorwurf machen kann, als dass er vor langer Zeit jemand verteidigt hat, dem der Antisemitismusvorwurf gemacht wurde, zeigt sich, wie wirkungsvoll und perfide diese Strategie der Verleumdung durch Assoziation ist. Das ist, wie wenn Strafverteidiger regelmäßig scharfe öffentliche Angriffe und schwere persönliche und berufliche Nachteile fürchten müssten, wenn sie einen vermeintlichen Übeltäter verteidigten. Unter solchen Bedingungen wird die Anklage schon fast zum Urteil, unabhängig davon, ob sie stimmt oder nicht. Und der Angezeigte wird allein durch die Anzeige zum Paria, mit dem niemand mehr etwas zu tun haben will, aus Angst deswegen selbst angegriffen zu werden. Das durfte ich jetzt auch erfahren, noch bevor meine Verteidigung Kubickis überhaupt öffentlich wurde.

Zu den Vorwürfen gegen Möllemann

Um meine Haltung zum Vorwurf gegen Möllemann offenzulegen: Ich finde einiges sehr problematisch an den Formulierungen seiner damaligen Kritik an der israelischen Regierung und an seinen Reaktionen auf Angriffe von Michel Friedman. Man kann deshalb durchaus Argumente dafür finden, von einer antisemitischen Kampagne zu sprechen. Das ist aber nach meinem Dafürhalten bei weitem nicht eindeutig genug um zu rechtfertigen, dass man Leute, die eine andere Position vertreten und ihn verteidigten, allein deswegen dauerhaft in die Antisemitenecke stellt.

Eine Chronik des damaligen Möllemann-Disputs findet sich online bei der FAZ.

Mein Dossier zu den immer dreisteren Angriffen auf die Meinungsfreiheit durch Diffamierung und Ausgrenzung.

Änderungshinweis: Zwischen Sonntag ca. 21 Uhr und 23:50 Uhr wurden an diesem Artikel einige Änderungen, überwiegend Ergänzungen vorgenommen. Unter anderem wurden die Daten der Posener-Blogbeiträge eingefügt.

[26.11.2107]

Nachtrag 6. Dezember 2017: Zur Dokumentation der Rufmord-Methoden (nicht nur) des Herren Posener mit seiner hochflexiblen Einstellung zur Wahrheit, hier noch ein Beitrag, den er am 28. November und 7:53 in die Kommentarspalte seines Diffamierungsartikels über mich stellte: „Bei Herrn Häring handelt es sich möglicherweise um einen Verschwörungstheoretiker und auf jeden Fall um jemanden, der in Bezug auf das Bargeld eine Verschwörungstheorie entwickelt hat. Auch möglicherweise um einen Antisemiten und auf jeden Fall um jemanden, der antisemitische Äußerungen verteidigt hat.“ Daraus entnehme ich, dass man mit einem „möglicherweise“ vor einem haltlosen, ehrabschneidenden Vorwurf sicherstellt, dass man keinen Rufmord begeht, jedenfalls nach Ansicht des Herrn Posener nicht. Ob das auch gelten würde, sollte jemand behaupten, bei Herrn Posener handele es sich möglicherweise nicht nur um einen hinterhältigen Lügner, Rumörder und Denunzianten, sondern möglicherweise auch um einen Kinderschänder?“

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