Das übersehene Großrisiko eines Grexit

Befürworter und Gegner eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion streiten, was schwerer wiegt, der Gewinn an preislicher Wettbewerbsfähigkeit und monetärer Autonomie, oder die Turbulenzen eines Austritts und der Kaufkraftverlust. Was sie übersehen: Wenn der Kapitalverkehr beschränkt wird und die Banken in die Grütze gehen, kehrt der größte Exportsektor dem Land den Rücken, mit verheerenden Konsequenzen. 

Das kleine Griechenland hat die größte Handelsflotte der Welt. Sie wird überwiegend von Piräus und Athen aus operativ gesteuert. Dort sitzen auch viele gut bezahlende Dienstleister und Zulieferer der Schiffsbranche. Die Reeder sind dort, weil die Steuerregeln und das Umfeld in Griechenland sehr günstig sind, vor einigen Jahrzehnten fast konkurrenzlos günstig. Heute gibt es gute Alternativen.

Die Reeder bekommen ihre Einnahmen in Dollar und zahlen die meisten Vorleistungen, insbesondere Treibstoff, in Dollar. Der Wechselkurs des Euro oder einer neuen Drachme spielt für sie eine untergeordnete Rolle. Wichtig für sie ist vor allem freier Kapitalverkehr und ein Finanzsektor, der ihre Finanzierungserfordernisse erfüllt und ihr Geschäft kennt.

Wie groß die Bedeutung der griechischen Handelsflotte ist, wird gern übersehen, weil sie in der Zahlungsbilanzstatistik, für die die Bank von Griechenland zuständig ist, nur äußerst unvollkommen erfasst wird. Ihr offiziell gemessener Umsatz ist nur so groß, wie der von viel kleineren Schiffsflotten. Mit diesen Einnahmen wären die griechischen Reeder unmöglich so reich geworden, wie sie geworden sind.

Tritt Griechenland aus der Währungsunion aus, oder wird es hinausgedrängt, so wird das nicht ohne strikte Kapitalverkehrskontrollen abgehen. Die griechischen Banken werden massiv leiden und in ihrer Fähigkeit, Kredit in einer international akzeptierten Währung zu vergeben, massiv beschränkt sein. In einer solchen Situation wird nichts mehr die Reeder in Piräus oder Athen halten. Sie werden ihren operativen Sitz nach London oder an einen anderen günstigen Ort verlegen.

Das hätte mittelfristig schlimme Konsequenzen für alle griechischen Sektoren, die direkt oder indirekt mit der Schifffahrt verknüpft sind. Es würde auch jede Chance zunichtemachen, die hohen Milliardensummen, die die griechischen Reeder auf ausländischen Dollarkonten horten, einer moderaten Besteuerung zuzuführen oder zumindest für die Finanzierung von Investitionen in Griechenland nutzbar zu machen.

Ganz ohne Druckmittel stehen die griechischen Behörden in dieser Frage nicht da. Schließlich haben die Reeder, zumindest manche, in der Vergangenheit in großem Umfang die Steuern auf die Erträge ihrer ausländischen Konten hinterzogen. Würde das anders als früher aggressiv verfolgt, hätten die Reeder durchaus etwas zu befürchten und könnten daher bereit sein, gegen Nachsicht in dieser Frage ihr Geld wieder nach Griechenland zu bringen.

Aber wenn sie einmal weg sind, wird da nicht mehr viel gehen.

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