EZB verteidigt Draghis G30-Mitgliedschaft mit Auslassungen, Halbwahrheiten und falschen Behauptungen

19. 11. 2017 | Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor kurzem die Fragen der Europäischen Bürgerbeauftragten an Präsident Mario Draghi beantwortet. Es geht um die Mitgliedschaft und Teilnahme an nichtöffentlichen Treffen der G30, einer Gruppe, in der sich Notenbankchefs mit den Chefs privater Finanzinstitute mischen, die zum Teil sogar von Ersteren beaufsichtigt werden. Die Antworten der EZB sind ziemlich selektiv und enthalten sogar falsche Behauptungen.

Ich habe den Brief der EZB  ausführlich in einem englischsprachigen Blogeintrag analysiert. Hier die Kurzfassung auf Deutsch. Den des Englischen Mächtigen empfehle ich die Langfassung.

Die EZB widerspricht der Bürgerbeauftragten (Frage 11) und behauptet, die eigenen „Richtlinien für die externe Kommunikation der Direktoriumsmitglieder“  sähen vor, dass ein Mitglied des EZB-Stabs „in der Regel und wenn praktikabel“ präsent sein sollte, nicht nur bei bilateralen Treffen des EZB-Präsidenten mit Banken, sondern auch bei nicht-öffentlichen (multilateralen) Treffen wie denen der G30. Das ist falsch. Der relevante Abschnitt der Richtlinien beschränkt die (ohnehin wachsweiche) Vorschrift klar auf bilaterale Treffen.

De EZB verweist mehrfach ausführlich darauf, dass auch Präsidenten anderer Notenbanken, wie der Bank von England, der Bank von Japan und der Federal Reserve Bank of New York Mitglieder der G30 sind. Sie vergisst dabei zu erwähnen, dass seit jeher „nur“ der Präsident der New York Fed Mitglied ist. Kein Mitglied des Board of Governors des Federal Reserve System in Washington wird oder bleibt G30-Mitglied, während es dieses Amt bekleidet. Der Grund sind offenkundig die (angemessen) strengen Regeln für amerikanische Offizielle, die sie daran hindern, in einer solchen gemischten Gruppe mit denen, die sie beaufsichtigen sollen, Mitglied zu sein. Die New York Fed dagegen nimmt für sich in Anspruch, eine private Organisation zu sein. Sie gehört perverser Weise den Wall-Street-Banken, die sie beaufsichtigt, und wird auch von diesen kontrolliert.

Die EZB widerspricht auch der von der Bürgerbeauftragten zitierten Sorge des Beschwerdeführers, die Abwesenheit von Disclaimers in den Berichten der G30 könnten in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, der EZB-Präsident mache sich die Empfehlungen dieser Berichte für die EZB zu eigen. Dazu schreibt die EZB, alle Berichte der G30 enthielten Disclaimers, die klarstellten, dass die Berichte nicht notwendigerweise die Meinung aller Mitglieder widerspiegeln. Das ist falsch, wie ich schon 2015 auf diesem Blog und in einem Handelsblatt-Bericht (18.08.2015 S.30 “Wie nah ist zu nah?”) dargelegt habe. Die EZB-antwortete damals, auf den Wegfall der früher vorhandenen Disclaimer angesprochen, es komme nicht auf solche Disclaimer an, sondern auf den Charakter der Gruppe. Erst nach meiner damaligen Berichterstattung wurden die expliziten Disclaimer ab 2016 wieder in die Berichte der G30 aufgenommen.

Die EZB widerspricht auch der Aussage der Bürgerbeauftragten, man habe ihrem Team gesagt, der EZB-Präsident sei als Privatmann Mitglied der G30. Man habe vielmehr immer gesagt, er sei in offizieller Mission dort. Das beisst sich allerdings mit der gegensätzlichen Behauptung in den G30-Berichten. Man fragt sich, warum Draghi oder die EZB nie etwas unternommen haben, die G30 von dieser falschen Darstellung abzubringen.

Einigen wichtigen Fragen, wie etwa der nach einem möglichen Reputationsschaden für die EZB weicht die EZB gänzlich aus, bei anderen, wie etwa der Frage, ob es Beschlüsse zu Draghis angeblich offizieller G30-Mitgliedschaft gibt, und welche Regeln es gibt, die Interessenkonflikte in Zusammenhang mit Draghis G30-Mitgliedschaft vermeiden sollen, hat sie erschütternd wenig zu sagen. (Siehe dazu auch https://norberthaering.de/de/27-german/news/473-ezb-richtlinien)

[19.11.2017]

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