Sind die Bundesländer käuflich?

Carl Waßmuth* erläutert, wie die Bundesregierung die Zustimmung der Länder zu einer Bundesfernstraßengesellschaft organisiert, um privatem Kapital den Zugang zu öffentlichen Mitteln zu verschaffen. Mit der Bodewig-2-Kommission scheinen die Länder schon ihren Kotau vorzubereiten, um Milliarden in den Länderfinanzausgleich zu bekommen, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von eben diesem Kotau abhängig macht

Bei der Frage, ob im Bundesfernstraßenbau künftig verstärkt privates Kapital lukrative Anlagemöglichkeiten erhalten soll, spielen die Bundesländer eine entscheidende Rolle. Ein Vorschlag plädiert für eine Zentralisierung z.B. in Form einer Bundesfernstraßengesellschaft. Gegen das Votum der Länder ist eine derart weitreichende Strukturveränderung vermutlich politisch nicht durchsetzbar, auch dann nicht, wenn die große Koalition im Bundestag über eine Mehrheit verfügt, die für Grundgesetzänderungen günstig erscheint.  Bisher bezogen Landesregierungen und Landtage sowie die gemeinsamen Gremien Verkehrsminister-Konferenz und Bundesrat gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft Stellung. Auch der verstärkte Einbezug privaten Kapitals wird kritisch gesehen.

Der Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ (auch „Bodewig-2-Kommission“) kommt dabei eine große Bedeutung zu. Diese Kommission ist dasjenige Gremium der Länder, das sich seit Juli 2015 intensiv im Auftrag der Länder mit dem Thema befasst. Die Kommission arbeitet schnell: Innerhalb eines halben Jahres hat sie bereits drei Teilberichte vorgelegt, den letzten erst vor wenigen Tagen. Am 23. Februar will die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen. Dem Bund kommt dieses Tempo vermutlich sehr entgegen – für das von der Bundesregierung favorisierte Modell ist eine Grundgesetzänderung erforderlich.

Die Bodewig-Berichte

Betrachtet man die drei bereits vorliegenden Berichte der Bodewig-2-Kommission näher, kommt schnell Ernüchterung auf. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest Gemeingut in BürgerInnenhand in einer Analyse. Hatten die vorausgegangenen Kommissionen noch wichtige Zahlen zusammengetragen und eigene, teilweise wirklich neue Vorschläge gemacht, steht es um die  Bodewig-2-Kommission ganz anders. Dieser Kommission obliegt es offenbar, den sichtbaren Widerspruch  zwischen den tatsächlichen Positionen der Länder und der möglicherweise im Zuge der Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs erzwungenen Zustimmung zum verstärkten Einbezug privaten Kapitals im Bundesfernstraßenbau zu verpacken. Und zwar so zu verpacken, dass dieses Einknicken den Landesregierungen nicht auf die Füße fällt – z.B. bei den Landtagswahlen im Frühjahr.

Die Bundesregierung will unbedingt privates Kapital stärker einbeziehen

Das Vorhaben der Bundesregierung ist keine Schnapsidee eines Ministers. Dahinter stehen drei Ministerien und allem Anschein nach auch die Kanzlerin. Die Vorbereitungen laufen bereits seit zwei Jahren. Im Jahr 2015 wurden wenigstens sechs Gesetze verabschiedet, die das Vorhaben flankieren:

  • Verordnung zur Änderung der Anlageverordnung und der Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung

  • Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen

  • Einführung einer Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut), 

  • Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Entlastung vor Doppelbelastung durch Infrastrukturabgabe)

  • Änderung des Verkehrsinfrastrukturfianzierungsgesellschaftgesetzes (VIFGG)

  • Lockerung des Vergaberechts für sogenannte öffentlich-öffentliche Partnerschaften (ÖÖP)

 

Dass für eine Grundgesetzänderung im betroffenen Bereich der Bundesfernstraßen die Zustimmung der Länder erforderlich ist, war dabei früh absehbar. Man kann davon ausgehen, dass die Bundesregierung einen Plan dafür hatte und hat, wie diese Zustimmung zu erreichen ist. Es steht akut zu befürchten, dass sich die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung einigen – über die Köpfe ihrer Landesparlamente und auch über die Bürgerinnen und Bürger in ihren jeweiligen Bundesländern hinweg. Die Ministerpräsidenten können sich dabei auf die Berichte der Bodewig-2-Kommission berufen, die ihnen dazu einen Weg frei macht – mit einem Kompromissvorschlag, der keiner ist, aber gut aussieht. Danach könnte zum Beispiel eine Bundesfernstraßengesellschaft abgelehnt und nur eine Kapitalsammelstelle gestattet werden. Dass diese in den zentralen Fragen die gleichen Kompetenzen eingeräumt bekommt, könnte unbemerkt bleiben. Vorgesehen ist nämlich bei allen Vorschlägen, dass die Gesellschaft, Sammelstelle oder wie auch immer das Konstrukt heißen wird, zwei zentrale Dinge erlaubt bekommt: Eigene Kredite aufnehmen und  mit Kapitalanlegern ÖPP-Verträge abschließen. Beides natürlich  abseits der Schuldenbremse und vermutlich auch der Maastricht-Kriterien. Das Volumen für diese neu zu versteckenden Kredite ist erheblich: Über den anvisierten 30-Jahres-Zeitraum geht es um 150 bis 300 Milliarden Euro. Und ist das Grundgesetz erst einmal geändert, ist es zu spät – siehe Schuldenbremse.

Verhinderung ist noch möglich!

Doch die Chancen, das Vorhaben noch zu stoppen, stehen gar nicht schlecht. Es müssen doch sehr viele Beteiligte zustimmen, schon allein in den Bundesländern. Und alle stellen womöglich ihre eigenen Bedingungen. Das könnte einer politischen Aufklärungskampagne die erforderliche Zeit verschaffen. Kommt das Thema unter der Schlagzeile „Autobahnprivatisierung“ in den Wahlkampf, wird es wohl scheitern. In diesem Sinne könnte auch ein Unterschriftenaufruf wirken, der bei Gemeingut unterzeichnet werden kann. Der Text der Grundgesetzänderung liegt auch noch gar nicht vor. Einen Hinweis gibt es allerdings schon. In einem Papier des Verkehrsministeriums wird folgendes empfohlen: 

„Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, bei dem Ausbau und Erhalt des vorhandenen Netzes Rechnung getragen wird.“

Das entspräche der Formulierung, die ins Grundgesetz eingefügt wurde, als 1994 die Bahn formell privatisiert wurde:

„Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.“ (Art.87e (4) neu eingefügt durch Gesetz vom 20.12.93, BGBl_I_93,2089

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

*Carl Waßmuth ist Aktivist von Gemeingut in BürgerInnenhand e.V.

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