Wie die Allianz trickst und täuscht um an noch mehr Steuergeld zu kommen und das Scheitern der privaten Vorsorge zu verdecken

 Der Allianz gehen im Niedrigzinsumfeld die attraktiven Anlagemöglichkeiten aus. Das bringt zwei große Probleme mit sich. Ganz akut wird es schwierig, die Renditeanforderungen der Aktionäre zu befriedigen. Strategisch gesehen droht noch Schlimmeres, die Desavouierung der privaten Vorsorge für die Rente auf lange Zeit hinaus. Der Staat hat die staatliche Rente für große Teile der Bevölkerung auf Armutsniveau gekürzt, um sie Allianz und Co. in die Arme zu treiben, damit

sie „privat vorsorgen“. Weil die privaten Vorsorgeanbieter auch Geld mit diesem Geschäft verdienen wollen, was auf die Rendite für die Vorsorgenden schlägt, hat der Staat Subventionen draufgesattelt, die in etwa die Gewinne der Anbieter abdecken. Doch die Entwicklung an den Finanzmärkten war nicht so, wie in den rosigen Szenarien ausgemalt. Das ist für die staatliche Rente kein Problem, aber für die private. Dort droht jetzt, dass die Kunden trotz Subvention vom Steuerzahler eine extrem niedrige oder gar negative Verzinsung bekommen. Dann kann man keinem mehr die Mär von der Überlegenheit der privaten Vorsorge erzählen. Um das Versagen des Modells nicht sichtbar werden zu lassen, soll jetzt der Staat aus Steuergeldern nochmal kräftig bluten, diesmal, indem er Allianz und Co. hohe Kapitalerträge finanziert. Das soll so gehen: Die Allianz gibt das Anlage suchende Geld der Privatvorsorger dem Staat, der damit Infrastruktur finanziert. Der Staat zahlt dafür eine gute und garantierte Rendite.

 Das Problem, das es textlich wegzuzaubern gilt: Der Staat zahlt derzeit weniger als 0,5 Prozent Zinsen für zehn Jahre, wenn er sich das Geld per Anleihe von der Allianz und den Pensionsfonds holt, für 30 Jahre nicht viel mehr. Wenn er Allianz und Co stattdessen für Infrastrukturfinanzierung fünf Prozent oder mehr bezahlt, ist das eine verdeckte, riesengroße Subvention.

 Allianz Vorstand Maximilian Zimmerer erklärt im Handelsblatt vom (8.1.) unter dem Titel „Geld für die Infrastruktur“, warum das trotzdem eine gute Sache für den Staat sei.

 Erst einmal beschreibt er länglich, wo es bei der Infrastruktur überall klemmt und erklärt korrekt, warum es eine gute Idee wäre, mehr zu investieren, anstatt Straßen und Schulen verrotten zu lassen. Dann kommen die Kosten, die er, damit die Summe schön gruselig-groß wird, gleich für die ganze Welt ansetzt und bis 2030 aufsummiert: 46 Billionen Euro. „Die meisten Staaten können Investitionen in der entsprechenden Größenordnung nicht stemmen“, stellt er daraufhin fest. Auf diese Art umgeht Zimmerer, der sich hier ja an deutsche Entscheider und die deutsche Öffentlichkeit richtet, das nicht geringe Problem, dass Deutschland sich angemessene Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sehr wohl leisten und derzeit sogar extrem billig finanzieren kann. Stattdessen lieber: „Nahezu alle Länder müssen zunächst ihre Haushalte konsolidieren.“ Aber eben nur „nahezu alle“. Deutschland gehört nicht dazu, was er verschämt verschweigt.

 In dieser vermeintlich schwierigen Lage reitet die Allianz als angeblicher weißer Ritter los, um Europa zu retten und unsere Kinder vor dem finanziellen Ruin zu bewahren, denn: „Mehr Verschuldung zu fordern, wie es viele Ökonomen und der IWF tun, würde nicht nur das Bekenntnis Europas zum Stabilitätspakt untergraben, mit unabsehbaren Folgen. Der Politik würde durch steigende Zinslast auch der Gestaltungsspielraum genommen. Kommende Generationen hätten eine noch höhere Tilgung zu tragen.“ Und die jetzige Generation, also wir, hätten das Geld auch nicht, meint er, denn diese Generation „muss zunächst ausreichend für ihren Ruhestand vorsorgen, was ihr durch den lang andauernden Niedrigzins sehr erschwert wird.“

 Damit sind die Taschenspielertricks vorbereitet, mit denen die Allianz uns einreden will, es sei ein gutes Geschäft für uns, das wir sie staatlich subventionieren, denn:

 „Was liegt also näher, als diese bereits lose verknüpften Herausforderungen zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung zusammenzuführen“ – und wer könnte eine für alle Seiten befriedigende Lösung schlecht finden? – „und privates Altersvorsorgekapital zur Infrastrukturfinanzierung, Wachstumsstimulierung und Entlastung der Haushalte heranzuziehen?“ Man beachte die Wortwahl: „heranzuziehen“. Hier war ein richtig guter Texter am Werk. Das klingt fast wie zum Wehrdienst einziehen, nicht wie subventionieren.

 Die Versicherer und Pensionsfonds und ihre „40 Billionen Euro Investitionsmittel jedenfalls, versichert uns Zimmerer, brennen patriotisch  darauf, sich heranziehen zu lassen. Dabei seien verschiedene Kooperationsformen denkbar, wobei die Allianz dem Staat großzügig einräumt, die Rahmenbedingungen zu setzen, sodass das Gemeinwohlinteresse gewahrt bleibt. Aber wie geht das, wenn es doch bedeutet, dass der Steuerzahler der Allianz ein Vielfaches mehr an Zinsen abdrücken muss, als er eigentlich müsste? In 19 Wörtern, erklärt Zimmerer uns, kurz vor Ende des Textes, wie das geht, wie man das zentrale Problem der ganzen Idee löst. Auch diese 19 Wörter sind ein Meisterwert der vernebelnden Texterei, denn je mehr Worte man an ein Problem verliert, desto wichtiger sieht es aus. „Sind die Zinsaufwendungen bei privater Finanzierung höher …“ das ist die in einem Wenn-Nebensatz versteckte Einräumung, das es für den Staat ein extrem schlechtes Geschäft ist, das Geld der Allianz mit überhöhten Zinszahlungen zu vergüten, „… muss dies durch Effizienz beim Bau und Betrieb des Projekts kompensiert werden.

 Klingt gut. Bei näherer Betrachtung stellt man aber fest, dass die Allianz, oder allgemein „Versicherer und Pensionsfonds“ Experten im Anlegen von Geld, aber nicht Experten für Effizienz beim Bau und Betrieb von „Straßen, Netzen, Versorgungseinrichtungen und öffentlichen Gebäuden“ sind. Nur dadurch, dass man das Geld der Allianz zu fünf Prozent garantierter Verzinsung nimmt, statt zu einem halben Prozent, hat sich die Effizienz der Projektvergabe und Erstellung noch um kein Jota verbessert. Die Finanzierungssphäre und die Produktionssphäre sind weitgehend unabhängig. Man kann sie verbinden und so tun, als ob man der Allianz die hohe Rendite dafür garantierte, dass sie die Sache in die Hand nimmt. Aber sie beauftragt auch wieder nur einen Bauträger, die Leistung zu erbringen. Das kann der Staat auch selbst. Und wenn er es nicht kann, kann er jemand dafür engagieren, dass er das Knowhow einbringt.  Eine Sachverständigenkommission zur Verbesserung der Vertragsgestaltung bei Aufträgen zu Bau und Betrieb von Infrastruktur wäre keine schlechte Idee.  

 Schauen wir uns nach dieser Klarstellung nochmal die Argumentation der Allianz an, so stellen wir fest, dass Zimmerer massiv getäuscht hat, ohne auch nur einmal zu lügen. Er hat festgestellt, dass mehr staatliche Infrastrukturinvestitionen mehr bringen als sie kosten und daher in Sachen Zukunftsvorsorge eine hervorragende Sache sind. Weil der Staat aber aufgrund einer nicht näher hinterfragten Selbstfestlegung sich das Geld für diese hochrentablen Investitionen nicht billig borgen dürfe, und auch nicht mehr Steuern und Abgaben erheben sollte, weil die Bürger ihr Geld brauchen, um es in unrentable  Vorsorgepläne bei der Allianz einzuzahlen, soll der Staat sich dieses Geld von der Allianz zu einem hohen Zins borgen. Allerdings nicht indem er offen einen Kredit nimmt, sondern indem er einen versteckten Kredit nimmt, den er statt mit niedrigen Zinsen mit hohen „Nutzungsentgelten“ bedient. Künftige Generationen sollen also vor künftig höheren Zinsen geschützt werden, indem sie stattdessen viel höhere „Nutzungsentgelte“ an die Allianz bezahlen.

 Liebe Allianz: Mein Geld bekommt ihr nicht ohne (publizistischen) Widerstand, das verspreche ich, auch wenn ihr den Wirtschaftsminister schon um den Finger gewickelt habt. Er hat eine mit Vertretern der Finanzbranche, natürlich auch der Allianz, bepackte Expertenkommission zum Thema „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ eingesetzt, die bereits an den Details der schlechten Geschäfte feilt, die Allianz-Vorstand Zimmerer uns hier mit seinen textlichen Taschenspielertricks schmackhaft machen will.

Die Mitglieder sind: Dr. Stephan Articus (Deutscher Städtetag), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank), Prof. Marcel Fratzscher (DIW, Vorsitz der Expertenkommission), Prof. Veronika Grimm (Universität Erlangen-Nürnberg), Dr. Helga Jung (Allianz SE), Dr. Markus Kerber (BDI), Wolfgang Lemb (IG Metall), Dr. Thomas Mayer (Flossbach von Storch Research Institute, ehem. Chefvolkswirt, Deutsche Bank), Dr. Torsten Oletzky (Ergo), Prof. Siegfried Russwurm (Siemens), Prof. Monika Schnitzer (Ludwig-Maximilians-Universität München), Dr. Eric Schweitzer (DIHK) sowie Michael Vassiliadis (IGBCE).

Ich habe übrigens bereits mit einem maßgeblichen Mitglied der Kommission meine kritische Kernthese diskutiert und war von seiner Antwort alles andere als beeindruckt.

 Siehe auch:

Der große Autobahn-Raub der fünften Gewalt (mit P.S.)

 Gabriel gibt den Staat zur Ausplünderung frei

Schlagwörter: Fratzscher-Kommission, Infrastrukturfinanzierung, private Rentenvorsorge, Niedrigzins,

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