Der AfD-Skandal, der nicht sein darf (mit P.P.S. 12.2.)

 Eigentlich ist die AfD nicht mein Thema, und die „Welt“ auch nicht. Aber dieser Vorgang ist doch so ungewöhnlich, dass ich darüber schreiben muss – weil es sonst (fast) keiner tut. Ein handfester Skandal findet fast unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Am späten Abend des 25. Januar 2016 postete der NRW-Landesvorsitzende der AfD (und Lebensgefährte von Frauke Petry), Marcus Pretzell, drastisches auf Facebook. Unter der Überschrift „4000-Euro-Lachmann – oder wie ein Journalist der Welt seine Unabhängigkeit verlor“, beschuldigte er den AfD-Berichterstatter der „Welt“ schwer. Dieser habe der AfD-Vorsitzenden Petry vorgeschlagen, sie in Sachen PR zu beraten und habe dafür heimlich mit 4000 Euro pro Monat entgolten werden wollen, während er weiter für seine Zeitung über die AfD berichtet hätte. Petry habe abgelehnt und seither schreibe er sehr giftig über sie.

Tags darauf berichtete die AfD-nahe „Junge Freiheit“ ausführlich, sonst fast völlige Fehlanzeige. Keine Resultate in Suchmaschinen, tagelang. Am Abend kam ein halblebiges Dementi von der „Welt“. Man weise die Vorwürfe zurück und prüfe rechtliche Schritte. Dabei kann es eigentlich nur darum gehen, welche rechtlichen Schritte. Entweder es stimmt, dann müsste die „Welt“ den Journalisten entlassen, oder es stimmt nicht, dann müssten sie und/oder der Redakteur Pretzell wegen übler Nachrede und Verleumdung verklagen. Pretzell gab sich gelassen, und ermunterte die „Welt“, zu klagen. Er habe mehrere Zeugen.

Dann kehrte völlige Funkstille ein. Ich versuchte einige Tage lang diese Funkstille wenigstens auf Twitter zu stören, aber keine Reaktion, weder von Pretzell, noch von Lachmann oder der „Welt“, die in den Tweets jeweils angesprochen waren. Lachmann twitterte weiter als sei nichts vorgefallen, ohne den ungeheuren Vorwurf eines Wortes zu würdigen.

Am Vormittag des 2.2. schließlich schrieb ich eine E-Mail an Pretzell mit dem Hinweis, ich wolle auf meinem Blog berichten. Ich fragte ihn, was der Stand sei, ob er die Vorwürfe aufrecht erhalte und ob er in Gesprächen mit der „Welt“ sei. Keine Reaktion bisher. Ich schickte über Twitter eine Nachricht an Lachmann, der auf Twitter fast täglich aktiv war, mit der Frage, ob er nicht dementieren oder gar klagen möchte. Keine Antwort bisher. In der „Welt“ hat er gemäß seiner Autorenseite im Internet am 29.1. zuletzt geschrieben, ein eher unauffälliges Stück zur AfD.

Am Nachmittag des Tages, an dem ich diese Anfragen geschickt hatte (2.2.), kam dafür endlich der Medien-Nachrichtendienst „Kress“ mit einem eher bizarren Stück, das den Eindruck vermitteln sollte, es sei aktuell, aber dabei nur den Sachstand von einer Woche vorher referierte, einschließlich des inzwischen veralteten halblebigen Dementis der „Welt“ von vor einer Woche.

Googelt man nach „Lachman Pretzell Welt AfD“, bekommt man jetzt dieses Kress-Stück und sonst fast nichts Einschlägiges. Als wäre nichts vorgefallen. Erstaunlich.

Man kann nur spekulieren, was da im Hintergrund los ist. Wird vielleicht verhandelt, wie man die Sache geräuschlos aus der Welt schaffen kann, so dass auch die AfD etwas davon hat? Man weiß es nicht. Aber warum interessiert sich niemand dafür? Wenn ein Landesvorsitzender der FDP so etwas Ehrenrühriges über einen Journalisten behaupten würde, der die FDP covert, würde die Sache vermutlich nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen.

Änderungshinweis (6.2.): Ich hatte geschrieben, der letzte Artikel auf der Autorenseite von Günther Lachmann auf Welt-online sei vom 27.1. Das  war ein Tippfehler. Der betreffende Artikel erschien am 29.1. Es ist Stand heute weiterhin der letzte auf der Autorenseite.

P.S. vom 9.2.: Auf der Autorenseite von Günther Lachmann bei der Welt steht nun ein Artikel vom 8.2. zu geplanten Bargeldbeschränkungen. Er schreibt also noch für die Welt. Von einer Verleumdungsklage gegen Pretzell oder einem Dementi Lachmanns ist (mir) weiterhin nichts bekannt.

P.P.S. 12.2.: Nach immerhin 18 Tagen, sicherlich nicht zufällig genau dann, als die Welt endlich Ihren angegriffenen Redakteur erfolgreich „ermutigt“ hat, gegen Pretzell zu klagen, äußert sich das Internet-Leitmedium Spiegel-Online erstmals zu der Affäre. 

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