Furcht vor dem digitalen Euro? Erwiderung von Fabio De Masi

10. 11. 2020 | In meinem Blogbeitrag „Was sie alles über den digitalen Euro wissen sollten, um sich davor zu fürchten“ hatte ich Forderungen von Vertretern der Linken nach einem digitalen Euro als naiv bezeichnet. Dazu äußert sich Fabio De Masi, Finanzexperte und Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Fabio De Masi. Die von Norbert Häring und Peter Bofinger formulierten Einwände gegen einen digitalen Euro nehme ich sehr ernst und sie weisen auf wichtige Dinge hin.

Was Sie alles über den digitalen Euro wissen sollten, um sich davor zu fürchten

Ein paar Anmerkungen zur Klarstellung meiner Position.

Ich fordere einen digitalen Euro zur Ergänzung, nicht Abschaffung des Bargeldes. Daher sieht unser „Konzept“ auch keine Bezahl-Karten vor, um Anonymität von Bargeld zu simulieren. Der Nutzen wäre begrenzt und das würde sich meines Erachtens auch nicht durchsetzen gegen Smart Phones und Co.

Die wichtige Eigenschaft von Bargeld ist ja nicht die physische Form als Papier oder Münzen, sondern dass Bargeld im Unterschied zum Bankengeld (jenseits Inflation) 100 Prozent sicher ist, da es von der Zentralbank garantiert wird und der Kreditschöpfung entzogen ist.

Bargeld hinterlässt zudem keine Datenspuren, was für den Datenschutz des Bürgers wichtig ist. Gleichwohl befürworte ich Obergrenzen bei Bargeld für Transaktionen wie etwa in Italien im Kampf gegen Geldwäsche, weil niemand eine Immobilie mit Bargeld kaufen muss.

Wir wollen Bargeld schlicht als gesetzliches Zahlungsmittel schützen und wollen den digitalen Euro ergänzend für Jene, die nicht mit Bargeld bezahlen wollen, aber ein europäisches Datenschutzniveau beim Bezahlen wünschen.

Dass PayPal und andere Anbieter da besser im Markt sind, ist unbestritten. Daher macht der digitale Euro aus meiner Sicht nur Sinn, wenn er mit europäischer Datensouveränität einher geht! Sonst wäre er in der Tat überflüssig – zumal Obergrenzen unvermeidbar sind, um einen digitalen Bank Run des Publikums zu vermeiden, die in Krisen womöglich von Bankguthaben zu EZB Guthaben umschichten würden.

Unbestritten ist auch, dass mächtige Akteure damit das Ziel einer bargeldlosen Gesellschaft verbinden. In China ist das faktisch bereits der Fall. Als ich dort einmal Geld in einem gehobenen Hotel abheben wollte, musste man mir erst eine Rumpelkammer aufsperren und den Geldautomaten booten.

Selbstverständlich bekommen solche Überlegungen mit der Corona Pandemie und dem Erfolg asiatischer Länder mit weniger liberalen Ordnungen bei der Pandemieüberwachung und Bekämpfung Auftrieb. China will digitales Zentralbankgeld zu den olympischen Winterspielen einführen und testet bereits in mehreren Städten.

Der Vorwurf von Norbert Häring, es wäre naiv, dass wir unsere Vorstellungen vom digitalen Euro durchsetzen, ist durchaus nachvollziehbar. Nur glaube ich, dass uns sonst eine faktische (nicht rechtliche) Verdrängung des Bargeldes durch Technologie und Marktmacht (Smartphones, Apple Pay, Facebook etc.) droht und wir ganz ohne Regulierungsmöglichkeiten dastehen. Nicht ohne Grund sind Syndikate wie die European Payment Initiative gegen den digitalen Euro und wollen rein privatwirtschaftliche Lösungen entwickeln.

Zudem droht die wirtschaftspolitische Souveränität von Entwicklungsländern weiter zu erodieren. Etwa weil eine Flucht in Facebooks Libra und Kopplung an Hartwährungen Kapitalverkehrskontrollen und somit autonomere Zinspolitik erschweren. Die Ärmsten werden unter dem Stichwort „financial inclusion“ ihre Daten an Facebook und Co verhökern müssen.

In Südafrika etwa verfügen viele Menschen mit unregelmäßigen Einkommen nicht über Bankkonten. Sie nutzen Rabattkarten bei Einkäufen. Damit werden ihre Ernährungsgewohnheiten erfasst und Lebenswerwartungen, Krankheitsrisiken etc abgeschätzt und die Daten z.B. mit Versicherern gehandelt, um Anti-Diskriminierungsgesetze bei Krankenversicherungen zu umgehen.

Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit dass die Befürchtungen von Norbert Häring eintreten weil die Kräfteverhältnisse so sind wie sie derzeit sind, durchaus da ist. Aber ein reiner Abwehrkampf um Bargeld ist hier meines Erachtens nicht hinreichend. Man muss beides tun und mit eigenen Konzepten die öffentliche Debatte beeinflussen. Das versuche ich mit meinen bescheidenen Möglichkeiten.

Wir brauchen endlich eine öffentliche Debatte über den „Daten-Kapitalismus“ im 21. Jahrhundert und die Umbrüche am Finanzmarkt. Gegen Facebook mit 2,7 Mrd Nutzern ist die Deutsche Bank ein Kindergeburtstag. Dazu wollen wir beitragen.

Mehr zum Thema

Das Finanzsystem nicht Facebook, Apple und Ant Financial überlassen

Positionspapier zum Digitalen Euro von Fabio De Masi und dem Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag

Meine Replik

Norbert Häring. Ich bin sehr dankbar für die schnelle, ausführliche und offene Antwort von Fabio De Masi auf meine Kritik an seiner Forderung an die EZB nach einem digitalen Euro, die ich als naiv bezeichnet habe. Ich habe sie mit Forderungen an Böcke verglichen, besser zu gärtnern.

Fabio De Masis Antwort verstehe ich so, dass er die von mir beschriebenen Gefahren zwar sieht, aber dennoch die Gelegenheit nicht verstreichen lassen will, anhand des aktuellen Themas „digitaler Euro“ zu diskutieren, welche Schwächen unser Finanzsystem hat und in welche Richtung es geändert werden sollte. Das ist ein legitimer Ansatz.

Allerdings ist es, wenn man diesen Weg geht, sehr wichtig, seine Vorschläge so zu fassen und einzukleiden, dass die Gefahr minimiert wird, dass man von denjenigen, die das Gegenteil wollen, für deren Zwecke missbraucht wird. Diese Gefahr ist virulent, weil die Gegenseite eben nicht mit offenem Visier agiert, sondern Absichten wie die Abschaffung des Bargelds leugnet und gleichzeitig auf indirektem Wege und mit Tricks vorantreibt.

Ein paar Anmerkungen zu einzelnen Punkten der Erwiderung:

„Gleichwohl befürworte ich Obergrenzen bei Bargeld für Transaktionen wie etwa in Italien im Kampf gegen Geldwäsche, weil niemand eine Immobilie mit Bargeld kaufen muss.

Real existierende und diskutierte Obergrenzen für Barzahlung liegen nicht in der für Hauskäufe relevanten Größenordnung, sondern bei 500 bis wenige 1000 Euro. Wenn man schon ein gebrauchtes Auto oder ein teures Fahrrad nicht mehr bar bezahlen darf, sind das wesentliche Einschränkungen. Von verschiedenen Seiten der Bargeldabschaffer bis hin zum Internationalen Währungsfonds, ist öffentlich vorgeschlagen worden, solche Begrenzungen auf hohem, scheinbar unproblematischem Niveau einzuführen und dann, nach Gewöhnung an den Tabubruch, abzusenken. Meldepflichten für den Verkauf von Häusern, teuren Autos oder teuren Juwelen bei Barzahlung erfüllen ebensogut den erklärten und legitimen Zweck, aber sie erfüllen nicht den Nebenzweck, Bargeld langsam aus der Wirtschaft hinauszuquetschen.

„Nur glaube ich, dass uns sonst eine faktische (nicht rechtliche) Verdrängung des Bargeldes durch Technologie und Marktmacht (Smartphones, Apple Pay, Facebook etc.) droht und wir ganz ohne Regulierungsmöglichkeiten dastehen.

Ich sehe nicht, wie die Existenz eines digitalen Zentralbankgeldes, selbst wenn sie nicht zur Beseitigung des Bargelds genutzt werden sollte, bei der Regulierung von Apple Pay, PayPal und Co. hilft. Diese Regulierung ist jetzt schon möglich, findet aber insbesondere in Sachen Datenschutz nicht annähernd in ausreichendem Umfang statt. Wie die Existenz von digitalem Zentralbankgeld uns helfen sollte, die Verdrängung von Bargeld durch private digitale Zahlungsverkehrslösungen zu vermeiden, erschließt sich mir auch nicht. Ich sehe da nur Tendenzen in die Gegenrichtung, weil man argumentieren kann, dass Bargeld durch digitales Zentralbankgeld einen Teil seiner Bedeutung verliert.

„Zudem droht die wirtschaftspolitische Souveränität von Entwicklungsländern weiter zu erodieren.

Ja, das droht, aber unabhängig davon, ob es einen digitalen Euro gibt. Wenn sich zum Beispiel in Afrika statt Libra oder dem digitalen Yuan eine Paypal-Lösung mit digitalen Dollar oder digitalen Euro durchsetzt, ist für die wirtschafts- und finanzpolitische Autonomie afrikanischer Ländern nichts gewonnen. Dass die EZB einen digitalen Euro UND ein zugehöriges Zahlungssystem entwickelt, das sich auch in Afrika durchsetzt, darf man wohl als gänzlich unwahrscheinlich betrachten. Und wie ich mit Zitat von der einschlägigen Arbeitsgruppe der Notenbanken dargelegt habe, ist es auch gar nicht angestrebt, den Systemen der US-Finanzdatenkraken Konkurrenz zu machen.

„Ein reiner Abwehrkampf um Bargeld ist hier meines Erachtens nicht hinreichend.

Das ist nicht das, wofür ich werbe. Ich werbe für einen Abwehrkampf um den Erhalt des Bargelds und – unter anderem anhand dieses Themas – für einem Kampf darum, die Notenbanken und insgesamt das Finanzwesen wieder demokratischer Kontrolle zu unterwerfen.

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