Gesellschaft für Informatik warnt: Bargeldobergrenze und digitale Währung führen zu gläsernen Bürgern

24. 11. 2022 | Die Gesellschaft für Informatik, die größte und wichtigste Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum, hat eine eindringliche Warnung vor einer Bargeldobergrenze und der Einführung einer digitalen Währung ausgesprochen. Weil sich die etablierten Medien nicht dafür erwärmen konnten, hierüber zu berichten, wurde ich gebeten, die Erklärung zu verbreiten. Das tue ich gerne:

Digitale Währungen schaffen gläserne Menschen

Die EU-Kommission und die Bundesregierung wollen Bargeldzahlungen einschränken, um Schwarzarbeit und organisierte Kriminalität zu erschweren. Der GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit” mahnt, dass das Zurückdrängen des Bargeldes zulasten von Privatsphäre, Sicherheit und Freiheit gehen kann.

Berlin, 22. November 2022 – Mit großem Engagement treibt die Europäische Zentralbank (EZB) die Einführung eines digitalen Euros voran. Derzeit testet sie verschiedene Ansätze und Technologien zur Bereitstellung einer digitalen Währung, darunter auch zentralisierte und dezentralisierte Lösungen wie die Distributed Ledger Technology, auf der auch der Bitcoin basiert. Nach Plänen der Europäischen Kommission sollen zudem Rechnungen grundsätzlich nur noch bis zu 10.000 Euro in bar bezahlt werden dürfen, um Geldwäsche, organisierte Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. Nun hat auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt, diese Obergrenze für Bargeldauszahlungen in Deutschland einzuführen.

Prof. Dr. Hartmut Pohl, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI):

„Wir sehen die von Bundesregierung und EU-Institutionen geplante Einschränkung des Bargeldverkehrs äußerst kritisch. Bargeldobergrenzen, Pläne zur Einführung einer rein digitalen Währung und eine etwaige Abschaffung von Bargeld haben weitreichende Folgen für die informationelle Selbstbestimmung und die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Sie bergen die große Gefahr, aus jeder und jedem den sprichwörtlichen ‚gläsernen Menschen‘ zu machen. Zudem weisen rein digitale Währungen enorme Sicherheitsrisiken auf. Wie digitale Währungen grundrechtskonform gestaltet werden können, ist ein dramatisch unterbeforschtes Themenfeld. Abgesehen davon ist bis heute unklar, ob durch eine bargeldlose Welt organisierter Kriminalität und Terrorismus tatsächlich beizukommen ist.“

Privatsphäre und Datenschutz müssen gewahrt bleiben

Der GI-Präsidiumsarbeitskreis warnt: Die geplante Begrenzung des Bargeldverkehrs – und noch viel mehr die Einführung einer digitalen Währung, die anstelle des Bargelds treten kann – greife einerseits massiv in die informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ein und andererseits in das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta garantierte Recht auf Privatsphäre.

Je mehr Zahlungen bargeldlos durchgeführt werden oder in einer digitalen Währung erfolgen, desto mehr Möglichkeiten zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ergeben sich. Bei der ebenfalls diskutierten Abschaffung des Bargelds schließlich wird das komplette wirtschaftliche Agieren jeder und jedes Einzelnen lückenlos und personenbezogen nachvollziehbar. So können digitale Finanzstrukturen entstehen, die dem Europäischen Freiheitsverständnis zuwiderlaufen.

Sicherheit und Resilienz des Geldsystems sind schützenswerte Güter

In einem rein digitalen Zahlungssystem sieht der GI-Präsidiumsarbeitskreis zudem Gefahren für Sicherheit und Resilienz unserer Wirtschaftsordnung: Es ist zwar zu begrüßen, dass der elektronische Zahlungsverkehr nicht den internationalen Finanz- und Technologieunternehmen überlassen werde. Derzeit ist allerdings noch nicht absehbar, ob die Sicherheit digitaler Währungen hinreichend garantiert werden kann und die dafür erforderliche Technologiebeherrschung insbesondere gegenüber Angriffen Dritter – beispielsweise durch organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Cyberkriminalität – ausreichend gegeben ist.

Zudem würden rein digitale Zahlungssysteme und Währungen Begehrlichkeiten bei den Sicherheitsbehörden nach Zugriff auf die Transaktionsdaten wecken. Auch die Ausfallrisiken im Katastrophenfall oder bei Stromausfall würden steigen. Allein Bargeld bietet demnach eine gewisse Resilienz in Krisensituationen…

Weiterlesen auf der Seite der Gesellschaft für Informatik

Mehr

Die Gründe für eine Bargeldobergrenze sind vorgeschoben – die Vorgeschichte zeigt es deutlich
17. 11. 2022 | Die EU-Kommission will es, Innenministerin Nancy Faser (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, Finanzminister Christian Lindner hält es für unabwendbar: das EU-weite Verbot, Beträge von mehr als 10.000 Euro bar zu bezahlen. Es ist ein weiterer Schritt zur Kriminalisierung der Bargeldnutzung und Verdrängung des Bargelds. Die Gründe sind erkennbar vorgeschoben. Die Vorgeschichte zeigt, worum es wirklich geht.

EZB-Chefin Lagarde legt offen, wie sie mit dem digitalen Euro das Bargeld verdrängen will
11. 11. 2022 | Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde und EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta haben auf einer Veranstaltung in Brüssel für Fachleute so deutlich wie bisher nie offengelegt, dass und wie der geplante digitale Euro die Verdrängung des Bargelds beschleunigen wird.

FDP-Chef Lindner wirbt für „Digitales Bargeld“
8./9. 11. 2022 | FDP-Chef Christian Lindner hat sich auf Twitter und in Brüssel für die Einführung eines digitalen Euro als Innovations- und Wachstumsmotor ausgesprochen. Er nennt ihn skurriler Weise „digitales Bargeld“. Bei seiner freiheitlichen Gefolgschaft kommt das nicht gut an. Aus gutem Grund.

Mit Sozialpunkten und digitalem Euro sollen wir zu präzise gesteuerten Teilen einer sozialen Maschine werden
16. 05. 2022 | Sozialpunkte und digitaler Euro entstammen dem Instrumentenkasten der technokratischen Sozialingenieure. Sie wollen Gesellschaften zu sozialen Mega-Maschinen machen. Es genügt nicht, die individuelle Freiheit wahlweise gegen mächtige Konzerne oder einen übergriffigen Staat zu verteidigen. Man muss auch wissen, wie eine bessere Alternative zum Social Engineering aussieht.

EU-Kommission will Anfang 2023 die Weichen für den digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel stellen
25. 04. 2022 | Am 27. April verhandelt das Bundesverwaltungsgericht abschließend darüber, ob und wann deutsche Behörden Bargeld ablehnen dürfen. Was auf dem Spiel steht, wird daran deutlich, wie die EU-Kommission das Urteil des EuGH in meiner Bargeldsache nutzen will: als Freibrief für die baldige Einführung eines digitalen Zentralbankeuros als zweites gesetzliches Zahlungsmittel neben – in Wahrheit aber statt – Euro-Bargeld.

Was Sie alles über den digitalen Euro wissen sollten, um sich davor zu fürchten
10. 11. 2020 | Hören | Kaum ein Dokument ist mir so oft zugeschickt worden, wie die jüngsten Überlegungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem digitalen Euro. Es besteht offenkundig großer Bedarf an Einschätzungen, ob ein digitaler Euro etwas Gutes oder etwas Schlechtes wäre. Unter anderem Vertreter der Monetative und der Linken drängen die EZB dazu. Das halte ich für einen schweren Fehler.

Print Friendly, PDF & Email